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Frösis Tagebuch habe ich auf der Seite
Radsport-NEWS.com gefunden. Es ist sehr informativ und kurzweilig geschrieben.
Auf jeden Fall muß sich Frösi keine Gedanken machen was er nach seiner
aktiven Karriere anfangen soll .....
Also viel Spaß beim Lesen :-)
http://radsport-news.com/news/giro2003froesi.shtml
http://radsport-news.com/news/giro2003froesi2.shtml

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Robert Förster, 24 Jahre alt und aus Markkleeberg bei Leipzig,
begann seine Profikarriere vor zwei Jahren im "Nürnberger"-Team mit
einer ganzen Reihe von Siegen. Er gilt als eines der größten
Sprinttalente in Deutschland. Nach einer von Erkrankungen
überschatteten Saison wechselte er in diesem Jahr zu Gerolsteiner,
wo er behutsam weiter aufgebaut werden soll. Beim Giro d'Italia
bestreitet er zum ersten Mal eine große Rundfahrt. Exklusiv für
RADSPORT-NEWS.COM führt "Frösi" ein Renntagebuch vom Giro.
Haben Sie Fragen, Kommentare oder Anregungen?
Schicken Sie einfach eine Mail an
girotagebuch@radsport-news.com.
Frösi wird auf Ihre Fragen nach Möglichkeit in seinem Tagebuch
eingehen. |
18.Etappe
"Umsonst gekämpft"
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Chianale,
29.05.03. Bei der schweren Bergetappe heute lief bei mir alles prima.
Ich hatte gute Beine am Start, es war schwer, aber ich konnte mit dem
großen grupetto der Sprinter ohne Probleme mitfahren. Alles
super. Bis im Ziel plötzlich einer sagt, es könne doch noch eng werden
mit der Karenzzeit. Das ganze grupetto haben sie rausgenommen.
Gekämpft - und alles umsonst.
Ich bin total
enttäuscht.
Ich
habe mich gut gefühlt heute morgen und ich hielt mich auch gut im
Rennen. Am Colle d'Esischie, dem Dach des Giro, bildete sich das
grupetto mit 40 Mann. Petacchi fuhr noch weiter hinten. Für mich
lief alles nach Plan. Ein schön großes grupetto und mir gehts
gut. Was soll da schon passieren? ich fuhr am Anschlag den Berg
hoch, die Passstraße war eher ein Feldweg gen Himmel. Als wir oben
waren an der Passhöhe in 2366 Meter Höhe gings mir auch noch gut.
Immer noch alles im Plan.
In der
Abfahrt vom Esischie gabs jedoch Probleme. Im grupetto muss
man in der Abfahrt versuchen, soviel Zeit wie möglich wieder
gutzumachen
auf die Spitze, man muss sich riskant in die Abfahrt stürzen. Das ging
jedoch heute leider überhaupt nicht, denn auf der Passstraße turnten
hundert Touristenfahrer rum, sogar Autos fuhren auf der Rennstrecke. Das
war erstens saugefährlich und zweitens hat es uns mächtig aufgehalten.
Alle im grupetto waren sauer. Wir haben dadurch mehrere Minuten
verloren und jetzt könnte man anfangen zu rechnen. Aber das nützt ja
auch nix mehr.
Am zweiten
großen Berg wieder im grupetto rein. Es gab ein Gewitter, Regen,
Kälte. 8 Grad. Drei Kilometer vor der Passhöhe in über 2000 Metern Höhe
Schnee auf der Strasse.. Die Abfahrt war mordsgefährlich. Nicht nur dass
es glatt war, dazu wieder jede Menge Touris auf der Strasse, Autos. Eine
absolute Katastrophe. Helmpflicht? Bei solchen Zuständen eher ein Alibi,
ein böser Witz.
In den
Schlussanstieg sind wir mit einer 35 Fahrer großen Gruppe reingefahren.
35 Mann nehmen sie normal nie raus. Und selbst wenn einer bessere Beine
gehabt hätte, niemand würde aus dem grupetto heraus attackieren.
Das macht man einfach nicht, das ist gegen die Ehre. Auf den letzten 5km
gingen bei mir die Lichter aus, aber ich blieb in der Gruppe drin.
Irgendwie habe ich mich ins Ziel gequält, wie, weiß ich selbst nicht.
Ich schaue auf die Uhr: 40 Minuten. Das Limit lag bei 36 Minuten, elf
Prozent der Siegerzeit. (Bei der Tour de France gibt es bei ähnlichen
Etappen schon mal 18 Prozent Karenzzeit.) Aber würden sie auch wirklich
35 Mann rausnehmen? Bei extremen Wetterbedingungen wie heute hat die
Jury da recht großen Entscheidungsspielraum.
Nun ja, sie
haben 35 Mann rausgenommen. Ich bin sehr enttäuscht. 4500 Höhenmeter, so
gekämpft - umsonst! Und dabei lief es ja alles sehr gut, alles optimal,
denn selbst wenn ich die Kraft gehabt hätte, greife ich ja nicht aus dem
grupetto heraus an am Schluss. Alles umsonst gewesen. Ich kann morgen
nach Hause fahren. Okay, ich muss es akzeptieren, so ist Radrennen eben.
Und vorzuwerfen habe ich mir nichts, ich habe alles gegeben. Aber die
Enttäuschung ist halt im Moment sehr groß. Ich melde mich nochmal, wenn
ich wieder zuhause bin.
Bis dann!
a
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Frösi bei der 18.Etappe
Foto: Sabine Jacob |
17.Etappe
"Alle ko nach dem Ruhetag"

Foto: Sabine Jacob
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Asti,
28.05.03. Heute lief es für mich im Sprint ganz ordentlich. Neunter
Platz. Noch drei Wochen und ich gewinne eine Etappe... Heute abend denke
ich aber nicht mehr so sehr an den Sprint, sondern an die böse
Bergetappe morgen. Habe schon ein bißchen Angst, dass ich die Karenzzeit
verpasse.
Ich dachte
eigentlich, heute würde vom Start weg Vollgas gefahren. Doch es blieb
ganz ruhig. Die ersten 20 bis 30km sind wir ganz piano gefahren. Ich
habe ein bißchen geplaudert mit Freund Ribi (dem Wiener Werner
Riebenbauer von Fakta). Ich habe geflachst: Was riecht's denn heute im
Feld so nach Schlamm? Ribi war gestern in einen Graben gestürzt und war
über und über eingesaut danach. Er meint, er wäre ganz kurz eingenickt,
Sekundenschlaf, schon lag er im Graben. Ihm ist ja glücklicherweise nix
passiert, da kann man dann drüber lachen.
Man hat
gemerkt, dass sie heute alle im Feld total KO waren. Fassa Bortolo
hat das Feld kontrolliert, als der von Tenax rausfuhr. Lange dauerte
die Flucht nicht. Im Profil stand ein kleiner Berg, ein Hügel
eigentlich. An dem hatten alle Mühe, als wärs ein Alpenriese. Nach
dem Ruhetag war es für alle unheimlich schwer heute. Ein Tag Pause
und der Körper stellt sich um auf Erholung. Danach gehen die Beine
zu, Du kannst kaum atmen. Als würdest Du zum ersten Mal auf dem Rad
sitzen. Mein Puls war 15 Schläge höher als vorgestern. Außerdem war
es heute noch unangenehm heiß, 33 Grad. Das hat die Etappe schwer
gemacht, obwohl sie ganz kurz war und eigentlich flach.
Im
Sprintfinale habe ich mich dann aber wieder ganz gut gefühlt. Viel
besser als bei den letzten Sprintetappen, auch vom Kopf her. Die
letzten drei Kilometer ging es geradeaus, bei 500 Meter eine leichte
Rechtskurve. Alles perfekt für einen Sprint. Mein Teamkollege
Steffen Weigold hat für mich super den Sprint vorbereitet, bis 1.000
Meter (vor Schluss) hat er sich leer gefahren. Auf dem letzten
Kilometer fuhr ich vorne unter den ersten Zehn. Es ging ordentlich
zur Sache. Lenker an Lenker, Furlan hat sich gekabbelt mit Casper.
Ich wollte nicht zu früh in den Wind, ich warte. 250 Meter vor dem
Ziel will ich antreten, ich hatte auch die Beine für einen Antritt.
Doch alles war zu. Links, rechts, vor mir - ich bin eingeklemmt und
kann nur noch weiterfahren bis ins Ziel. Neunter Platz. Hätte besser
sein können - aber auch schlechter!
Nach
der Etappe hatten wir einen 100km langen Transfer, um 19:30 Uhr
kamen wir erst ins Hotel. Dann noch Massage, Abendessen. Um 22 Uhr
im Hotelzimmer. Der Tag morgen
macht mir
doch einige Sorgen. Die heimliche Königsetappe mit fast 70km bergauf.
Zwei hohe Berge mit je 20km Anstieg plus Schlussanstieg. Ich habe doch
schon Angst, das Zeitlimit nicht zu schaffen. Das Feld ist kleiner, das
grupetto kleiner, das ist nicht gut. Ich will versuchen,
irgendwie an Petacchi dranzubleiben. Das schlimmste wäre, wenn das Feld
den ersten Berg einen Tick zu schnell hochfährt für mich und ich früh
schon am ersten Berg reißen lassen muss. Dann wäre ich bestimmt draußen.
Wenn ich im grupetto bleiben kann, habe ich eine Chance. Ich
werde aber in jedem Fall kämpfen bis zum Umfallen.
Drückt mir die Daumen!
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Fans
fragen Frösi
Ich fahre selbst Jedermannrennen und wollte mal fragen, ob Radprofis
während des Rennens viel von der Landschaft mitbekommen?
Frösi: Von der Landschaft bekomme ich im Rennen so gut wie gar
nichts mit. Ich glaube, ich würde nicht mal wieder dorthin finden
einen Tag später. Man ist zu sehr konzentriert. Beim fahren im Feld
muss man aufpassen und auch, wenn man allein den Berg hochfährt,
nimmt man wenig wahr vom drumherum. Die Landschaft genieße ich nur
nach dem Rennen.
Hi Frösi, was nimmst Du eigentlich während des Rennens als
Verpflegung mit und was habt ihr in den Trinkflaschen?
Frösi: Vor der Etappe stecke ich mir 4 bis 5 Silberlinge (kleine
Brötchen in Alupapier) in die eine Trikottasche, drei, vier
Energieriegel in die andere. In der mittleren Trikottasche ist das
Funkgerät. Nachschub gibts bei der Verpflegungsstelle. Dort bekommen
wir einen Beutel mit nochmal drei Silberlingen, flüssige
Kohlenhydrate, drei Riegel, eine Trinkflasche mit Wasser, eine
Flasche mit Enervit-Mineraldrink. Die "Silberlinge" sind Brötchen
mit Marmelade, Schinken oder Milchreis. Zu trinken gibts natürlich
während der Etappe noch mehr. 10 bis 15 Flaschen gehen manchmal weg.
Auf den letzten 20km wird es aber teuer, wenn man sich noch eine
Flasche holt. Da ist es nach dem Reglement nicht mehr erlaubt,
"nachzutanken". Aber wenn einem am letzten Berg so richtig die Zunge
raushängt, nimmt man auch gerne eine Geldstrafe in Kauf!
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Zweiter Ruhetag
"Ruhiger Ruhetag"
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Cervesina,
27.05.03. Wir hatten einen ganz ruhigen Ruhetag. Ausschlafen, eine
lockere Trainingsfahrt, Relaxen, bißchen Ablenkung vom Rennen.
Hat gut getan.
Wir
konnten heute morgen ausschlafen bis um 10 Uhr. Das wunderschöne
Schlosshotel, in dem wir hier untergebracht sind, konnten wir so
wenigstens auch ein bißchen genießen. Am Ruhetag gibts ein ganz
normales Frühstück mit Brötchen, mal keine Spaghetti und Reis.
Danach sind wir gegen halb zwölf rausgefahren zu einer kleinen
Trainingsausfahrt. Naja, Training kann man das nicht nennen. Man
läßt die Beine baumeln, fährt einen 28er Schnitt, kleine Gänge.
Keine Anstrengung. Die Ausfahrt dient vor allem der Regeneration, um
die Beine locker zu halten. Leichtes Training im eigentlichen Sinn
geht schon über drei oder vier Stunden und man fährt dann nach Puls.
Wir
sind anderthalb Stunden gefahren durch eine nette, ruhige, ländliche
Gegend. Beim Fahren unterhält man sich ein bißchen, aber nicht übers
Rennen. Man plaudert so über Gott und die Welt. Wir haben so
rumgesponnen, auf was wir uns jetzt schon freuen, wenn wir nach
Hause
kommen. Um
13:30 Uhr haben wir Mittag gegessen, ganz gemütlich und lange. Danach
habe ich ein kleines Nickerchen gemacht. Um 16 Uhr gabs Kaffee, draußen
im Hotelgarten. Mit Steffen Weigold habe ich noch bißchen DVD geschaut,
dann Massage, Abendessen. Ein ruhiger Tag, der hat wirklich gut getan.
Die Etappe
morgen ist kurz und flach. Ich denke mal, dass es eine Sprintankunft
gibt. Da haben bestimmt zuviele Teams ein Interesse daran, das Feld
zusammenzuhalten. Nicht nur Fassa und Domina für den Sprint am Ende,
auch Biases Team und Svoradas Lampre dürften nicht an Ausreißern
interessiert sein wegen der Intergiro-Wertung, in der Backstedt seit dem
Zeitfahren knapp führt (Auch merkwürdig, dass man beim Zeitfahren eine
"Zwischensprintwertung" einbaut). Bei diesem Giro gab es bisher noch
keine richtige Ausreißergruppe!
Was mich
angeht im Sprint - naja, was soll ich sagen. Werde es wieder versuchen,
zu verlieren habe ich ja nichts. Jemand fragt, ob ich Druck habe vom
Team? Nein, den habe ich ganz und gar nicht. Gerolsteiner ist hier beim
Giro ganz auf unseren Kapitän Totsch (Totschnig) ausgerichtet, der
wieder auf einem super siebten Gesamtrang liegt. Klar, dass das jetzt
Vorrang hat gegenüber allem anderen. Wenn ich ein Resultat hole, ist es
um so besser. Wenn nicht, reißt mir niemand den Kopf ab. Nur ich ärgere
mich...
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Fans
fragen Frösi
Welches Programm fährst Du nach dem Giro?
Frösi: Ich werde nach dem Giro erstmal eine Woche Pause machen. Dann
mal schauen, vielleicht Tour de Suisse. Die Tour de France fahre ich
auf keinen Fall und bei der Vuelta startet Gerolsteiner nicht. Mein
nächster Start in Deutschland dürfte die Sachsen-Tour im Juli sein.
Wie hält Ihr bei drei Wochen Sitzen eigentlich euren
"Allerwertesten" fit? Welchen Sattel fährst Du?
Das wichtigste ist dabei der Sattel. Da muss jeder Rennfahrer für
sich ganz individuell den richtigen finden. Ich fahre den SLP XP von
Selle Italia. Die bauen die besten Sättel und das sage ich nicht,
weil die unser Sponsor sind. Man benutzt regelmäßig Sitzcremes und
Lederfett fürs Sitzleder der Hose.
Dann gibts eigentlich keine Probleme. |
16.Etappe
"Petacchi gab einen aus"
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Cervesina,
26.05.03. Das war überhaupt nicht mein Tag. Mehr als eine Stunde lang
bin ich am Anfang vorne rumgeeiert, weil wir hofften, dass eine größere
Gruppe weggeht und ich da mit reinsollte und wollte. Aber daraus wurde
nichts und im Sprintfinale am Ende war ich ganz schlecht. Die Beine
nicht gut und vom Kopf her war ich noch schlechter drauf. Sch... Tag.
Gut dass jetzt Ruhetag ist.
Wir haben
heute darauf spekuliert, dass zehn Mann oder so, die im Gesamtklassement
jenseits von gut und böse sind, rausfahren und sie die im Feld dann auch
gewähren lassen. Ich wollte da mitfahren und meine Chance dann in einem
Sprint der Gruppe suchen. Das Rennen begann auch sehr nervös, vom Start
weg ein einziges Gespringe. 40, 50km lang habe ich vorne aufgepasst und
bin immer mitgefahren, wenn ich dachte, das könnte jetzt eine
Fluchgruppe werden. Doch Fassa Bortolo hat keinen wegfahren lassen.
Kurze Zeit sind zwei weggekommen, aber nicht weit und beim Intergiro
44km vor Schluss waren wieder alle da. Den Rest haben Fassa, Domina,
Lampre und Saeco das Feld kontrolliert bis zum Massensprint. Meinen
Freund Ribi (Werner Riebenbauer/Fakta) haute es 25km vor Schluss in
einen Graben, Ihm ist nichts passiert, aber der sah aus!
Von Kopf bis Fuß mit
Schlamm eingesaut...
Im
Sprint war bei mir am Ende völlig die Luft raus. 25.Platz - zwischen
Popovych und Simoni... Normalerweise hätte da viel mehr rausspringen
müssen. Es wäre eine gute Chance gewesen. Ich bin enttäuscht. Die
Beine waren gar nicht so das Problem, es war mehr eine Kopfsache und
ich weiß selbst nicht so richtig, was war. Aber irgendwie war ich
zum Schluss richtig schlapp, im Kopf müde. Sprinten ist eine
Kopfsache, die Einstellung spielt eine ganz große Rolle. Wenn Du
einen Lauf hast wie Petacchi, dann gelingt Dir alles. Auch, weil Du
das Selbstvertrauen hast, man wächst über sich hinaus, weil man
weiß, es geht. Da fährt man gleich viel aggressiver.
Alessandro Petacchi ist mir sehr sympathisch. Das ist ein richtig
netter. Heute sind wir im gleichen Hotel untergebracht wie er und
seine Fassa Bortolo-Mannschaft und Domina Vacanze. Beim Abendessen
hat Petacchi ein paar Flaschen Sekt geordert. Er ging rum und hat
mit allen auf seinen Etappensieg angestoßen. Eine sehr schöne Geste.
Ich
habe übrigens von meinen Teamkollegen bei Gerolsteiner beim Giro
einen neuen Spitznamen bekommen: Der "Hubschrauber". Hubschrauber
verlieren in der Höhe an Leistung. Der Hubschauber hatte keinen
guten Landeanflug. Der Hubschrauber braucht Kerosin. Solche Sprüche
kommen dauernd. Sogar über Funk nennt mich unser Sportdirektor schon
Hubschrauber. Total lustig. Bißchen Spaß brauchst Du auch. Zwei
Wochen der selbe Trott. Radrennen - aber vorher und nachher jeder
Tag wie der andere. Man hat keine Zeit für sich selbst. Es ist meine
erste dreiwöchige Rundfahrt, aber ich denke, gegen Ende reicht es
einem dann auch fürs erste.
Gut dass
morgen der zweite Ruhetag ist. Wir werden ein bißchen trainieren, eine
Stunde oder anderthalb. Mehr nicht. Ein bißchen zur Ruhe kommen, auf
andere Gedanken kommen. Dann wird der Kopf auch wieder frischer und es
kann weitergehen auf die letzten fünf Etappen.
Bis morgen!
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Fans
fragen Frösi
Wie errechnet ihr, bei welchem Kilometerstand bis zum Ziel ihr bei
einer Ausreißergruppe zufahren müsst, um sie noch vor den Ziel
einzuholen?
Frösi: Das kommt ganz drauf an. Wieviele Fahrer sind in der
Gruppe? Wann sind sie rausgefahren? Wenn zwei Mann schon 200km vorne
sind, dann braucht man gar nicht mehr viel Tempo zu machen, selbst
wenn sie 15 Minuten Vorsprung haben. Die kommen fast immer von
alleine zurück auf den letzten Kilometern. Faustregel: Es müssen
mehr Verfolger sein als Ausreißer. Also: Wenn zehn Mann vorne
kreiseln, werden sie nicht geholt, wenn fünf Mann einer Mannschaft
im Feld Tempo machen. Aber das ist alles ist immer auch Gefühlsache.
Über die Abstände werden wir im Feld immer informiert.
Wie schwer ist es eigentlich für einen eher unerfahrenen und jungen
Sprinter, an das Hinterrad von Cipollini oder Petacchi zu kommen und
auch dran zubleiben bis zum Sprint?
Frösi: Das ist sehr schwer. fast unmöglich. Um Petacchis Hinterrad
balgen sich immer zehn Mann. Eine Kurve, schon hat sich wieder einer
dazwischen gedrängelt. Da ist auch ständig Bewegung im Feld. Ein
Hin- und Hergespüle. 3.000 Meter vor Schluss muss man vorne, unter
den ersten sieben, acht Mann sein, sonst hat man keine Chance mehr
auf den Sieg. Bei "normalen" Rennen kommt man auch auf der
Zielgerade nochmal nach vorne. Aber beim Giro wird von den "Zügen"
der Teams ein solches Tempo und auch so aggressiv gefahren, da ist
das ganz anders. |
15.Etappe
"Zeit zum Durchatmen"
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Torbole,
25.05.03. Für Sprinter sind Zeitfahren an und für sich nicht so
spannend. Im Gesamtklassement geht es für mich um nichts und letzten
Endes interessiert es auch keinen, ob ich 80. bin oder 40. Und trotzdem
entwickelte ich ein bißchen Ehrgeiz, nur für mich selbst.
Heute
früh hätte ich was länger schlafen können, aber um Viertel vor Acht
bin ich aufgewacht. Frühstück mit meinem Cousin, der zu Besuch da
ist. Danach verabschiedete ich mich von meinem Zimmergenossen Marcel
Strauss, der gestern bei der Bergetappe aussteigen musste.
Das ist schon ein
bißchen
traurig. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie das ist. Ein Scheiss-Gefühl.
Man fährt nach Hause, sieht die anderen im Fernsehen und wäre selbst
doch gern noch dabei.
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Frösi am Start des Zeitfahrens am Sonntag
Foto: Sabine Jacob |
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Mit der
ersten Busladung von uns bin ich dann zum Start gefahren. Gegen elf
kamen wir an, ein bißchen vorbereiten, warmfahren. Um 11:45 Uhr war mein
Start. Ich bin mein Tempo gefahren, nicht verbissen, aber schon zügig.
Bei 40km kann man durchaus ja auch die Karenzzeit verpassen, wenn
irgendwas passiert. Daher lieber eine Minute schneller, eine Stunde mehr
oder weniger Vollgas macht jetzt nach 14 Etappen nun auch nichts mehr.
Auf Platz 48 kam ich. Ich hätte ruhig ein bißchen langsamer fahren
können, aber ich habe schon ein bißchen Ehrgeiz entwickelt. Eigentlich
blödsinnig. Ob Platz 50 oder 90 ist ja egal. Aber man will sich
vielleicht selbst ein bißchen was beweisen.
So etwa
5 Kilometer vor dem Ziel habe ich den vor mir gestarteten Nick Gates
(Lotto) eingeholt. Der fuhr bei Agro Adler und letztes Jahr bei
Wiesenhof- jetzt fährt er Giro und gleich danach die Tour de France.
Schon lustig. Naja, jedenfalls, wenn man einen Fahrer vor sich hat,
macht das einen nochmal richtig schnell. So wie man umgekehrt gleich
langsamer wird, wenn man hinter sich das wuuusch hört vom
Scheibenrad des Mannes hinter einem.
Zeitfahren ist langweilig. Die, die um den Sieg mitfahren oder um
eine Platzierung in der Gesamtwertung, sind natürlich
hochkonzentriert. Aber wenn es um nichts geht, dann denkst Du
während des Rennens über Gott und die Welt nach. Eine Stunde ist
lang. Irgendwo am Berg saßen zur Mittagszeit Fans und haben
gegrillt. Würstchengeruch in der Luft... und ich hatte nur
Marmeladenbrötchen zum Frühstück! Wär' am liebsten abgestiegen und
hätte mitgegessen.
Nach
dem Rennen habe ich im Ziel auf drei andere von uns gewartet, dann
sind wir im Teamauto 100km Richtung Gardasee gefahren, wo die Etappe
am Montag weitergeht. Um 17 Uhr war ich im Hotel. Massage, danach
bin ich ein bißchen zu den Mechanikern gegangen zum fachsimpeln.
Fernsehen. Heute abend werden wir vielleicht ein bißchen rausgehen,
Spazierengehen.
Die Gegend ist
schön. Frische Luft
schnuppern.
Zeit zum Durchatmen ist auch im Rennen. Nach den schweren Bergetappen
kam der einstündige Arbeitstag heute wie gerufen. Morgen eine
Flachetappe, dann der zweite Ruhetag. Mal keine Angst vorm Rausfliegen.
Bei der
Etappe morgen dürfte es eine Sprintankunft geben. Und viele gute
Sprinter sind ja schon weg, das macht einem noch mehr Hoffnung.
Allerdings sind auch noch viele schnelle Leute da, z.B. der Casper,
Bennati, Svorada und einige mehr. Ich will da natürlich voll reinhalten,
wenn es zum Sprint kommt. Entscheidend ist immer die Tagesform und da
weiß man abends vorher nie, wie die morgens sein wird.
Mal schauen, drückt mir
die Daumen!
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Fans
fragen Frösi
Was für ein Material fährst Du beim Zeitfahren?
Frösi: Ich fuhr heute eine Zeitfahrmaschine von Wilier, Alu-Rahmen.
Carbon-Hinterradscheibe. Übersetzung 53x11 bis 39x21.
Warum ein Scheibenrad beim Zeitfahren?
Frösi: Das Scheibenrad ist vor allem wegen der Aerodynamik
schneller als Speichenräder. Weniger Windverwirbelungen, aber nur
wenn es richtig rollt. Bergauf macht es eher langsamer. Es hat aber
auch eine psychologische Wirkung: Bei Scheibenräder gibt es dieses
Wuuusch-Geräusch beim Antritt. Wenn man das hört und es läuft
gut, dann gibt es einem noch den extra Auftrieb.
Wieviele Helme gehen verloren, wenn Ihr sie vorher bei einer
Bergankunft so achtlos in den Graben befördert? Sind doch nette
Andenken!
Frösi: Gestern bei der Dolomitenetappe haben wir nur den Helm von
Totsch (Totschnig) verloren. Unten am Berg stehen Betreuer von ein,
zwei Teams. Die sammeln die Helme für alle anderen Teams mit ein. Am
anderen Morgen werden die wieder verteilt. Alle immer
wegzuschmeißen, wäre ein bißchen teuer auf die Dauer. |
14.Etappe
"Ich dachte: Das schaffst Du nie"
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Bozen,
24.05.03. Heute morgen beim Start zu der schweren Dolomiten-Etappe hatte
ich ziemliche Sorge, dass ich das Zeitlimit nicht schaffe. 90 von 160km
bergauf, vier schwere Berge. Ich habe mich nicht gut gefühlt, weder
psychisch noch physisch. Was dann nachher am Schlussanstieg passiert
ist, war für mich ein sehr bewegendes Erlebnis.
Die ersten
10km war es ruhig, dann begann aber auch schon das Gespringe, eine
Gruppe ging weg. Ich wusste, ich muss bis zur zweiten Bergwertung noch
im Hauptfeld sein, sonst muss ich wohl heute abend die Koffer packen.
Der erste Berg stand zwar erst nach 90km im Profil, aber bis dahin ging
es auch nur bergauf. Immer 3-4 Prozent, immer Druck auf dem Pedal. Am
ersten Berg ist Saeco ein ekliges Tempo gefahren und ich bin prompt
rausgeflogen. Auf meinem Tacho sehe ich, dass ich noch 80 Kilometer vor
mir habe, inklusive vier Pässe!
Ich denke: Das schaffst
Du nicht, niemals.
Die
Materialwagen sind an mir vorbeigefahren. Als das Gerolsteiner-Auto
vorbeikam, sagt mir mein Sportlicher Leiter Theo Maucher, dass nur
noch drei Mann hinter mir sind. Ich muss mir was einfallen lassen,
sonst ist das Ding gegessen. Oben an dem Berg hatten ich und die
anderen drei dann fünf Minuten aufs Feld. In der Situation blieb uns
nichts anderes übrig, als in den Abfahrten voll Harakiri zu fahren.
Wir sind wie die Wahnsinnigen da runter und ich habe mehr riskiert,
als ich normal machen würde. Erholen kann man sich so in der Abfahrt
nicht. Auf meinem Tacho stand später: Maximales Tempo 97,5km/h.
Am Fuße
des Schlussanstiegs kamen wir mit einer zehnköpfigen Gruppe an, aus
der später drei die Karenzzeit verpassen sollten. Wir hatten unten
am Berg an die 15 Minuten Rückstand. Nach der Faustregel verlierst
Du als Sprinter am Berg gegen die Kletterer eine Minute pro
Kilometer. Der 14er von CCC Polsat (der Ukrainer Bondariew, die Red)
und ich sind aus der Gruppe raus, weil uns das alles nicht geheuer
war. Die Zeit wurde knapp. Zu zweit sind wir dann die 13km hinauf
zum Zielort angegangen.
Was auf dem
Schlussanstieg
passierte,
kann ich kaum beschreiben. Wie die tausenden Zuschauer uns angefeuert
haben, wie die Leute uns ganz nahe sind, wie sie mir ganz dicht ins
Gesicht schauen und in dem Moment genau wissen, wie es mir jetzt geht.
Es war für mich einfach bewegend. Einige riefen "Frösi", "Frösi". Einer
rief Robert. Es war mein Cousin, den ich auch gleich erkannt habe. Da
wir nur zu zweit waren, sind wir viel geschoben worden von den Fans. Das
tut so gut, selbst wenn es nur 10 Meter sind. Im grupetto der
Sprinter werden praktische alle geschoben. Erlaubt ist das natürlich
nicht und so greift sich die Jury willkürlich einige raus, die sie
erwischen. Ich bekam heute 200 Schweizer Franken Strafe aufgebrummt...
500 Meter
vor Schluss habe ich das große Sprinter-grupetto doch noch
erreicht. Die letzten Meter dachte ich zwar, ich sterbe, aber ich
wusste, ich habe es geschafft. Kein Gefühl wie bei einem Sieg, aber doch
geil. Nach der Zieldurchfahrt habe ich mich erstmal hingesetzt. Ich war
platt.
Nach dem
Rennen fuhren wir durch das Gewusel wieder den letzten Berg runter,
unser Teambus stand sieben Kilometer vor dem Ziel. Danach 50km
Autotransfer nach Bozen, wo wir ein Superhotel haben. Super-Essen und
wieder richtige Betten mit Daunenbettzeug, nicht so verlauste
Mallorca-Decken... Zum Abendessen gab's Spargelauflauf, Ravioli,
Roastbeef mit Kartoffelgratin, als Dessert Apfelstrudel. Abendessen ging
bis halb elf. Bis man ins Bett kommt ist es halb zwölf. Bis um acht Uhr
können wir schlafen, es könnte ruhig länger sein.
Ich bin
ziemlich kaputt, aber es geht noch. Morgen das Zeitfahren ist für alle,
denen das Gesamtklassement egal ist, relativ locker, auch wenn man eine
Stunde lang schon schauen muss, dass man zügig fährt. 90, 95 Prozent
muss man schon geben. Ich werde als einer der ersten starten und dann
Gott sein Dank auch früh fertig sein. Danach werde ich mich gleich
wieder ins Bett lümmeln. Bis morgen
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Fans
fragen Frösi
Ihr habt doch im Rennen eine Pulsuhr. Fahrt Ihr nach Puls oder
Gefühl?
Frösi: Man trainiert nach Puls, aber im Rennen schaut man überhaupt
nicht nach dem Puls. Man hört nicht auf zu treten, nur weil man bei
160 Puls ist. Nach zwei Wochen Rundfahrt verschieben sich auch die
Pulsfrequenzen. Es kann sein, dass man bei Puls 130 schon nicht mehr
japsen kann, andermal rollt man bei 160 Puls wie im Training. Die
Daten - Puls, Höhenmeter etc - werden übrigens alle aufgezeichnet.
Nach dem Giro wird der Computer damit gefüttert zur Auswertung.
Was hältst Du davon, dass Sprintstar McEwen ausgestiegen ist?
Frösi: Wir sind Profis. McEwens Sponsor sagt: Für uns ist die Tour
de France am wichtigsten und wir wollen, dass du da Siege holst.
Also gibt er den Giro auf, um sich dafür vorzubereiten. Das ist
professionell. Ob man das allerdings vorher so groß ankündigen muss,
weiß ich nicht. Er hätte doch heute auch einfach sagen können,
sorry, hatte einen schlechten Tag.
Aber das muss er selber wissen. |
12.Etappe
"Der Berg wuchs in den Himmel"
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Magnano
in Riviera, 22.05.03. Das war schon heftig heute, dieser Zoncolan am
Schluss. Die letzten drei Kilometer hatten es in sich und man darf ja
nicht vergessen, dass wir schon 180km und 11 Renntage in den Beinen
haben. Es war schwer, ich hatte aber eigentlich keine Probleme, im
grupetto mitzufahren, wobei wir uns auch ein bißchen bei den Fans
bedanken müssen...
Die Etappe
heute begann zunächst ruhig bis nach 10 Kilometern die von Kelme
meinten, plötzlich schnell fahren zu müssen. Alle hatten einen Hals auf
die. McEwen ist vorgefahren und hat denen mit der Karte mit dem
Etappenprofil vor der Nase gewedelt: "Was soll das ganze? Wir haben
heute noch einiges vor!" Dann fuhr eine Gruppe raus, einer von Kelme
dabei, da hielten die wenigstens erst mal still. Doch nein, dann fiel
einem von Selle Italia ein, dass einer der Ausreißer im Bergtrikot
zuviel Punkte hat und die fingen an Tempo zu machen. 50, 60km/h wurde
gefahren. Wieder nix mit locker rollen vor den Bergen. Selbst durch die
Verpflegungskontrolle sind wir volle Kanne durchgerast als gäb's kein
Morgen.
Am
ersten Berg haben sie unten gleich schon "grupetto", "gupetto"
gerufen. Ich habe mich da aber noch nicht beirren gelassen. Es ist
immer besser, von vorne ins grupetto zu kommen als von
hinten. In der Abfahrt kamen die anderen zurück. Es folgte ein
langes Flachstück. Unsere Gruppe der Sprinter war 50 Mann groß.
Einem grupetto dieser Größe kann eigentlich nichts passieren.
Die nehmen ja nie 50 Mann auf einmal aus dem Rennen. Trotzdem hatten
da einige Angst wegen der Karenzzeit und sind Vollgas gefahren. zehn
Mann sind vorne gekreiselt, 40 Mann hingen dahinter und mussten
aufpassen, überhaupt da dran zu bleiben. So ganz dumm ist es
natürlich aber nicht, im Flachen Tempo zu fahren. Am Berg verlieren
wir gegen die Kletterer eine Minute pro Kilometer. Macht 13 Minuten
bei dem Schlussanstieg heute und wenn wir unten schon weit hinten
liegen, wirds nachher eng.
Am Fuße
des Zoncolan habe ich wie vorher geplant das Rad gewechselt. Auf
meiner Ersatzmaschine war eine Übersetzung von bis zu 39x32
montiert.
Heftig, aber selbst das hat gerade so gereicht. Am Anfang war der
Zoncolan nicht wirklich schlimm. Gar nicht eklig, ein normaler Berg.
Aber auf den letzten drei Kilometern ist der Berg in den Himmel
gewachsen. So einen harten Anstieg bin ich noch nie gefahren. Ich fuhr
am Limit, mit 39x32 und voll getreten. Schneller als 7km/h gings nicht.
Tausende Zuschauer standen an der Strecke, das kam schon echtes
Giro-Feeling auf. Die haben uns dauernd geschoben. Sven Lohse, ein
Bekannter aus Chemnitz stand an der Strecke und hat mich 150 Meter
angeschoben. Danke nochmal, Sven! Die Italiener haben natürlich ein
Vorteil, die tifosi schieben ihre Lieblinge noch lieber. Der
Cipollini hätte wahrscheinlich nicht mal treten müssen...
Im Ziel war
ich platt. Viel weiter hätte das Ziel nicht sein dürfen. Wir sind vom
Berg runter mit der Seilbahn gefahren. Unten warteten die Teamautos, die
nicht die Passstrasse hochfahren konnten. Bis ins Hotel gab es nochmal
50km Transfer, aber davon habe ich nicht viel mitbekommen. Ich bin
eingeschlafen. Wir haben ein schönes Hotel. Ich habe mich erstmal eine
Viertelstunde in den Whirlpool gesetzt. Sehr angenehm. Allzu lange darf
man da aber nicht drinbleiben, sonst kannst du nachher gar nicht mehr
aufstehen. Mir tun die Knie weh von der Belastung. Der Nacken ist total
verspannt. Aber es könnte mir schlechter gehen. Um 21 Uhr Abendessen.
ich habe einen Salat verdrückt, eine Mozzarella, einen großen Teller
Gnocchi, zwei Steaks und anschließend noch zwei Stückchen Kuchen.
Morgen gibt
es eine Flachetappe, wobei im Schlusskurs ein kleiner Berg
möglicherweise was für Attackierer sein könnte und es vielleicht keine
Sprintankunft gibt. Wir denken aber schon an Samstag. Die 14. Etappe -
und die 18. - sind noch so Kracher. Heute wars schon so schwer und da
wirds noch schwerer! Aber gut, eins nach dem anderen. Heute gings es mir
ganz ordentlich eigentlich. Ich hatte keine Probleme, im grupetto
zu bleiben. Ich bin kaputt, ja. Aber alles noch im grünen Bereich. Mal
schauen, wie es mir morgen geht.
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Fans
fragen Frösi
Wie berechnet sich die Karenzzeit bei Bergetappen?
Frösi: Es gibt offizielle Karenzzeitpläne, wo das genau drinsteht.
Bei der schwersten Etappenkategorie so wie heute beträgt die
Karenzzeit zwischen 8 Prozent (bei 35km/h Schnitt) und 10 Prozent
(38km/h). Man rechnet über den Daumen 10 Prozent. 5 Stunden Rennzeit
sind 300 Minuten, also 30 Minuten Rückstand sind erlaubt. Über Funk
bekommt man mitgeteilt, wo die Spitze ist und wie man etwa liegt.
Welche Übersetzung bist Du heute bei der Bergetappe gefahren?
Frösi: Vorne 38er und 53er Blatt, hinten 11 bis 32. Das hat gerade
so gereicht.
Was für ein Puls hast Du?
Frösi: Mein Ruhepuls beträgt 36 Schläge, mein maximaler Puls jetzt
zurzeit während der Belastung beim Giro ist 190. |
11.Etappe
"Ich denke: Jetzt oder nie! Aber dann..."
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Levada
Ponte di Piave, 21.05.03. Das war ein ereignisreicher Tag. Vom Beginn
des Rennens gibt es Lustiges zu erzählen, vom Sprintfinale nicht so, da
hat es ziemlich geraschelt. Endlich war ich auf dem letzten Kilometer
mal vorne dabei - und dann gehe ich zu Fuß ins Ziel.
Das Rennen
begann ruhig. Nach einer Stunde Fahrzeit kamen wir an einen
geschlossenen Bahnübergang. So ziemlich das halbe Feld kam auf die Idee,
die Pause zum Austreten zu nutzen. Allerdings waren soviele Zuschauer da
am Straßenrand, da gings nicht. Also wir mit 30 Mann zu einem Haus, das
einen großen Garten hatte. Eine Frau stand auf dem Balkon und hat
verzweifelt gerufen, wir sollten nicht auf ihre Blumen... Einer, - ich
sag nicht wer, nur, dass es ein in Deutschland bekannter Italiener war -
musste sogar mal für große Jungs und hat sich hinter einen Busch
verzogen in dem Garten.
Wir haben gelacht...
Eine
Rennstunde weiter standen Zuschauer auf der Straße mit jeder Menge
Eis, mit Kuchen und sogar Wein. Wir haben alle angehalten und erst
Mal Pause gemacht. Sowas habe ich noch nie erlebt. Ich habe lecker
Eis gegessen und Kuchen. Viele haben auch beim Wein gut zugelangt...
Das war richtig gut aufgezogen von den recht jungen Fans. Fünf Mann
gingen mit Eis rum, drei mit Kuchen. Könnte man sich glatt dran
gewöhnen bei Rennen!
Dann
sind wir wieder Rennen gefahren. Zwei Mann von Tenax sind
rausgefahren. Die haben sie auch zügig fahren lassen. Als der
Vorsprung 13 Minuten betrug, wurde im Feld wieder Gas gegeben. 25km
vor dem Ziel waren die Ausreißer gestellt. Da hatte es schon
angefangen zu regnen und es gab auf den rutschigen Straßen schon
einige Stürze. Fürs Sprintfinale verhieß das nichts gutes. Im
Zielort stand eine 7km-Zielrunde auf dem Programm.
Ich habe
schon bei der ersten Zielpassage gleich gedacht, dass es da ordentlich
scheppert in dieser Kurve kurz vor Schluss. Da machen sie Regeln wie die
Helmpflicht zum Schutz der Fahrer - gut, aber wenn man wirklich uns
schützen will, sollten sie mal solche Sprintanfahrten weglassen.
Auf dem
letzten Kilometer war ich endlich mal vorne dabei, unter den ersten
Fünf. Ich habe mich auch super gefühlt. McEwen zieht früh an. In der
Kurve rutscht Galvez weg, Cipollini geht auch fliegen. Dann auch noch
Furlan. Ich habe plötzlich freie Sicht aufs Ziel, ich denke, das gibts
nicht, jetzt oder nie!
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Fans
fragen Frösi
Welche Reifen fahrt Ihr
Frösi: Wir fahren 23mm-Schlauchreifen von Schwalbe. Die fahren wir
durchweg, nur bei Paris-Roubaix fahren wir 25er.
Wie oft wechselt ihr die Kette an Euren Rädern?
Frösi: Relativ oft, einmal im Monat etwa. Mit Ketten gehen wir
nicht sparsam um. Man will da kein Risiko eingehen, denn ein
Kettenriß im Rennen ist nicht so gut.
Welches Rennrad fährst Du?
Frösi: Gerolsteiner fährt zwei Modelle von Wilier, ein Alu-Rad und
ein Carbon-Rad. Ich fahre Alu, weil bei meinen 80kg ist das besser
von der Steifigkeit her.
Die
Rahmen sind alle indivuell für jeden Fahrer angefertigt.
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|
Als ich
antrat, merke ich wie sich das Hinterrad durchdreht. Bei 60 km/h
fange ich an abzuheben Richtung Bande. Das war, als ob ich mir
selbst in einem Film zusehe. Ich fliege durch die Luft und denke,
wann schlage ich denn endlich ein in die Bande? Das dauert eine
Sekunde vielleicht, es kam mir unendlich lange vor.
Dann bretterte
ich in die
Bande. Da lagen wir dann verstreut auf der Straße 150 Meter dem Ziel.
Ins Ziel bin ich gelaufen.
Ich habe
mir wehgetan, aber mich Gott sei Dank nicht schlimm verletzt. Zerrung am
Arm, Schürfwunden, die linke Seite ist offen. Bei trockener Straße wär
es aber noch wesentlich schlimmer gewesen. Ich denke, ohne den Sturz
hätte ich einen Platz unter den ersten drei geholt. Ärgerlich, aber ich
sehe es auch positiv. Ich bin einen Schritt weiter, wenn ich eine
Podiumsplatzierung vor der Nase habe. Irgendwann klappt es ja
vielleicht. Meine Form ist wirklich ordentlich, auch wenn sich das auch
wieder schnell ändern kann.
Morgen
steht diese üble Bergankunft am Monte Zoncolan an. Ich habe Respekt vor
dem Berg, aber keine Angst vor der Etappe. Für mich als Sprinter geht es
nur darum, in der Karenzzeit anzukommen. Naja, und wenn man sein bestes
gibt und es reicht am Ende nicht, dann ist es auch nicht zu ändern. Ich
hoffe, es wird morgen reichen und ich drücke natürlich unserem
Teamkapitän Totschnig die Daumen, dass er vorne was machen kann. Für
unsere Mechaniker ist vor der Bergetappe viel Arbeit. Die schrauben
jetzt um 23 Uhr noch unten an den Rädern und rüsten sie um. Drückt mir
die Daumen, dass ich morgen abend noch im Rennen bin!
|

"Ins Ziel bin ich gelaufen"
Foto: Roth |
10.Etappe
"Die Cipo-Rufe wurden leiser"
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Imola,
20.05.03. Dass wir jetzt in Imola sind, habe ich gerade erst realisiert,
als ich aus meinem Hotelzimmer geschaut habe im neunten Stock. Nach
anderthalb Wochen Rennen verliert man jegliches Gefühl für Wochentage
und Orte. Man lebt irgendwie völlig in einer anderen Welt, wo sich alles
ums Radrennen dreht. Die schwere Etappe heute habe ich sehr gut
bewältigt, ich spüre einen Aufwärtstrend in der Form.
Heute
früh alles wie immer: Frühstück, Autofahrt zur Etappe, Einschreiben.
Wir haben erwartet, dass es heute gleich vom Start weg sehr zügig
losgeht. Es gab auch ein paar Attacken, aber die wurden wieder
gestellt und es beruhigte sich wieder und es ist dann erst mal nix
mehr passiert. Nach KM 51 stand eigentlich der erste Anstieg im
Profil, aber als wir KM 51 erreicht hatten, war es noch ganz flach.
Wo ist der Berg? Über Funk sagte uns unserer Sportdirektor Christian
Henn, die Organisatoren hätten gerade darüber informiert, dass die
Etappe 11 Kilometer länger ist als geplant.
202 plus 11 km.
Dankeschön...
Lustig
war heute eine kleine Sache zu Beginn des Rennens: Drei Italiener,
die aus der Gegend kommen, wollten aus dem Feld rausfahren, um dann
weit vor
dem Feld anzuhalten, um ihre Familien zu begrüßen. Die sagen vorher
Bescheid, das Rosa Trikot usw. gibt sein Okay. Wie das halt so Tradition
ist. Ein Spanier von Kelme hat's aber nicht weiter gestört und hat
währenddessen attackiert.
Was waren die sauer auf
den!
|
Fans
fragen Frösi
Warum rasieren sich Radsportler die Beine?
Frösi: Da gibt es drei Gründe: 1. Es ist besser bei Schürfwunden an
den Beinen. 2. Bei der Massage ist es angenehmer. 3. Es sieht besser
aus. Schneller wird man leider nicht...
Wie wird die Zeit gemessen? Mit Transpondern?
Frösi: Ja, wir haben Transponder, die sind links unten am Rahmen
angebracht. 3 mal 4cm groß etwa. Ein Transponder ist jeweils für
eine Startnummer programmiert. Radwechsel sind im Normalfall kein
Problem, da jeder von uns ja sein eigenes Ersatzrad hat.
|
|
Nach
der Bergwertung begann das Rennen. 16 Mann - darunter von uns Ronny
Scholz - fuhren weg, dahinter bildete sich noch eine Fünfergruppe,
dann das Hauptfeld, das Garzellis Sidermec kontrolliert hat. Mir
ging es wirklich noch sehr gut, als nach 90,8km (plus die 11km) die
Bergwertung
anstand. Wir sind da Reihe hochgefahren. Tausende Zuschauer, alle rufen
"Cipo", "Cipo", "Cipo". Cipollini hatte heute übrigens ein Spezialrad,
goldgrün. "König des Giro" stand drauf. Lustig, was der den Leuten für
ne Show liefert. Solche Typen wie ihn bräuchten wir noch ein paar mehr
im Radsport.
Die
Cipo-Rufe wurden auf einmal leiser - ich schaue mich um, siehe da,
Cipollini war weg, musste 120km vor Schluss reißen lassen. Für mich ist
das ein sehr gutes Zeichen, denn das bedeutet, das ich noch ganz gut
dabei bin als Sprinter. Wenn Cipo vor mir platzt, liege ich gut im
Rennen. Marcel Strauss war am Berg dauernd hinter mir und hat mich
angestachelt: "Los, komm, Frösi!" Auch die nächste Bergwertung war ich
noch da im Feld. Erst am vorletzten Berg hats mich rausgehauen. Wir sind
dann mit zehn Mann recht zügig bis ins Ziel gefahren. Das ist immer noch
hart. Aber man hat alles unter Kontrolle. Der Albtraum eines Sprinters
ist es, 100km vor Schluss abgehängt zu werden. Dann fängt der Druck an,
man fährt gegen die Karenzzeit. Dann ein kleiner Hungerast und man ist
draußen.
Die Etappe
morgen ist wieder eher etwas für mich. 222km lang, flach. Ich denke,
dass das Feld kontrolliert wird von Domina Vacanze vor allem. Bei der
Länge muss man aufpassen, dass man seine Kräfte bewahrt. Aber wenn es
zum Sprint kommt, will ich da wieder reinhalten und schauen, was
rauskommt. Drückt
mir die Daumen!
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Das Feld bei der 10.Etappe
Foto: Roth |
9.Etappe
"Im Feld staubt's schon mal"
Altopascio,
19.05.03. Heute hat's mich 10km vor dem Ziel erwischt. Eine Welle im
Feld und ich hing in der Bande. Nix weiter passiert, aber bis ich wieder
im Sattel saß, war alles vorbei. Keine Chance, noch an das rasende Feld
ranzukommen.
Von heute
früh gibt's nicht viel zu berichten. Wir haben Besuch von zwei Leuten
vom ZDF, die beim Giro schauen wollen, wie es so ist bei einer großen
Rundfahrt. Als Vorbereitung für deren Tour de France-Übertragungen. Auch
der Verantworliche von unserem Sponsor, der Marketingchef von
Gerolsteiner ist da. Die Etappe begann heute sehr schnell und so blieb
es auch während des ganzen Rennens. Früh gab es Attacken und es ging
hoch und runter. Domina Vacanze, Lotto und Sidermec haben das Feld aber
kontrolliert, es war eigentlich früh klar, dass es einen Massensprint
gibt. Cipollini machte während des ganzen Tages einen guten Eindruck. Da
konnte man sehen, der hat Druck heute. Sprinten ist halt ganz stark auch
eine Kopfsache.
Meine
Hoffnungen musste ich heute schon 10km vor Schluss begraben. In einer
Rechtskurve ging eine Welle durchs Feld und es hat geraschelt. Ich bin
gestürzt. Nicht schwer und es ist nix passiert, aber ich hatte keine
Chance mehr, vorne ranzufahren. Bis ich wieder im Sattel saß und richtig
loskam - es war noch der große Gang drin, war es vorbei. Wenn einem Star
wie Cipollini sowas passiert, dann wartet natürlich die ganze Mannschaft
und versucht ihn wieder nach vorn zu fahren. Aber selbst dann kann es
10km vor Schluss zu spät sein, zumal wenn es kurvig ist und das Peloton
ganz langgezogen ist. Naja, von hinten kam eine Gruppe und in der bin
ich dann locker ins Ziel gefahren. Klar, habe ich mich geärgert, aber
sowas passiert halt immer mal und wenn man sich über solche Dinge immer
großartig aufregen würde... Vorbei, abhaken und nach vorn schauen.
Der Lette
Naudusz und Petacchi haben sich in der Sprintanfahrt ein bißchen
geprügelt
- ich hab's vorhin im Fernseher gesehen. Und nach der Etappe gab es auch
noch einen kleinen Tumult, habe ich gehört. Da müssen sich wohl einige
von Alessio und Saeco geprügelt haben, kleine Meinungsverschiedenheit
wegen dem Sprint... Im Feld staubt's öfter mal. Das ist nicht nur
Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist im Radsport nicht anders wie etwa im
Fußball, da gibts ja auch schon mal "Nickeligkeiten". Beim Giro hier ist
es aber noch etwas aggressiver manchmal. Die Italiener vor allem können
ziemlich aufbrausend werden, brüllen rum, wenn ihnen einer zu nahe
kommt. Auch wenn man nichts dafür kann und einfach ne Welle drin ist im
Feld. Die machen erst das Maul auf und denken erst später. Aber da muss
man eine dicke Haut haben, da muss man drüber stehen.
Die Etappe
morgen sieht heftig aus. Welliges Profil, vier Bergwertungen der
2.Kategorie. Für einen dicken Sprinter wie mich kann das schlimmer sein
als ein knackiger Schlussanstieg. Wenn Du an 'nem Berg abgehängt wirst,
in den Seilen hängst und es sind noch 100km - dann Gute Nacht. Der
absolute Albtraum. Am schönsten wäre es, wenn morgen eine
Ausreißergruppe geht. Das Profil wäre perfekt. Zehn Mann, die im
Gesamtklassement weit hinten liegen. Dann kontrolliert Garzellis Team
das Feld ohne zu sehr aufs Tempo zu drücken. Ich denke, es wird so
kommen, es gab ja noch keine Ausreißergruppe bisher und viele Teams wird
es jucken. Von Gerolsteiner würden wir natürlich versuchen, einen Mann
mit reinzubringen. Marcel Strauss vielleicht oder auch Ronny (Scholz)
oder Weigold, das wären die richtigen dafür.
Drückt uns die Daumen!
8.Etappe
"Augen zu und durch"
Bettolle,
18.05.03. Platz 17 beim Auftakt, Platz 16 in Catania, jetzt Vierzehnter
- wenn das so weitergeht, gewinne ich in drei Wochen eine Etappe... Der
Sprint war heute absolutes Harakiri, wir fuhren den letzten Kilometer
mit 64km/h. Ich bin mit dem Tag ganz zufrieden. Nach dem Rennen hatte
ich noch soviel Kraft, dass ich doch glatt bei der Dopingprobe den
Behälter beim Zudrehen kaputt gemacht habe.
Heute
morgen ging es mir nicht wirklich gut. Die Beine taten noch bös weh von
der Bergetappe gestern. Das Rennen begann zunächst recht gemächlich auf
den ersten zehn Kilometern. Dann kam die erste Bergwertung und Selle
Italia hat Tempo gemacht für ihren Mann im Bergtrikot. Da wurde es
richtig schnell, hinten im Feld fingen einige schon an zu klemmen. Oben
an dem Berg sind Cipollini, Petacchi und Garzelli an die Spitze des
Feldes gefahren und haben erstmal für Ruhe gesorgt: "Piano!", rief Cipo.
Der war richtig sauer. Auf Cipo hören sie alle und es wurde dann auch
wieder langsamer gefahren. Bis zur Verpflegung bei KM 120 sind wir
dahingedümpelt mit 35er Schnitt.
Nach der
Verpflegung gingen die Angriffe los und das Tempo wurde schnell. Das
schlimme sind diese Rhythmus-Wechsel. Erst locker, dann Tempo, das tut
meinem Motor nicht gut. Nach einer Weile liefs bei mir dann aber wieder
okay. Im Finale stand 10km vor Schluss noch so 'ne kleine Welle im
Profil, dann gings nur noch bergab bis ins Ziel. Teilweise mit 70, 75
Sachen sind wir da runtergerast. Augen zu und durch. Denken darf man
nicht. Richtig zum Sprinten bin ich nicht gekommen. Den letzten
Kilometer fuhr ich praktisch Linie und nur volle Pulle ins Ziel.
Vierzehnter Platz. Ich bin zufrieden. Ich merke, dass ich immer besser
zurecht komme und es mehr Spaß zu machen beginnt. Ich fahre den Giro vor
allem, um zu lernen und da denke ich, dass ich ein Stückchen weiter
gekommen bin. Sprints sind immer auch Kopfsache. Man braucht
Selbstbewußtsein. Mein nächstes Ziel ist es jetzt, einmal unter die
ersten Zehn zu sprinten.
Nach dem
Rennen wurde ich heute zur Dopingprobe ausgelost. Dabei muss man für die
A- und B-Probe mindestens 75 Milliliter "leisten". Bei mir hat es heute
gerade so hingehauen. Die haben noch groß diskutiert, obs reicht oder
nicht. Es reichte glücklicherweise, sonst hätte ich da noch Stunden
rumsitzen müssen. Nach meinem Etappensieg bei der Sachsen-Tour letztes
Jahr hat der Arzt meinen Becher fallenlassen und ich musste nochmal ran.
Zwei Stunden hat das gedauert! Als ich heute fertig war, drehte ich den
Behälter zu - das muss aus rechtlichen Gründen der Fahrer machen. Ich
hatte die so verstanden, dass man das ganz fest zudrehen soll. Ich hab
den Deckel kaputt gemacht und es gab nochmal Diskussionen, was nun zu
tun ist. Wir haben es schließlich dann doch noch alle zu einem guten
Ende gebracht.
Dopingkontrollen sind sowieso immer eine kuriose Situation. Bei der
Dopingprobe sind der UCI-Kommissar, der Mannschaftsarzt und der UCI-Arzt
anwesend. Der UCI-Arzt schaut ganz genau zu, wie man da in den Becher
macht. In der Regel ist das nicht so fürchterlich, wie sich das anhört.
Die Ärzte sind meist sehr professionell. Manchmal - vor allem bei den
Heimkontrollen - kommt aber ein Arzt, der unerfahren ist und alles
besonders richtig machen will. Der hockt sich dann wirklich 20cm vor
einen. Oder andere wollen ein Gespräch führen, während man da zu Gange
ist...
Die Etappe
morgen ist im Finale wieder flach, es könnte wieder zum Sprintfinale
kommen.
Drückt
mir die Daumen! Bis morgen!
7.Etappe
"Wie in Trance"
Leonessa,
17.05.03. Heute früh habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht um
den langen Schlussanstieg. Im grupetto wird das schon recht
locker gehen, dachte ich. Aber auch im grupetto musst Du ja den
Berg erstmal hochfahren. Es war dann doch eine ganz schöne Quälerei.
Heute
morgen gab's um neun Uhr Frühstück, im Auto zum Etappenstart,
Einschreiben. Die
Razzia
bei Formaggi Pinzolo war natürlich das große Thema unter den
Rennfahrern. Die Etappe begann Gott sei dank sehr ruhig. Die erste
Bergwertung nach 26km sind wir wirklich piano hochgefahren. Danach wurde
es zwar wieder flacher, aber nicht leichter: Es ging an einem See
vorbei, die Straße war schlecht und es gab eine Kurve nach der anderen.
Wie Serpentinen. In den Kurven staute es sich ständig im Feld. Man muß
bremsen, wieder antreten, bremsen, antreten. Auf der schlechten Straße
rollte es nicht und im Wald siehst Du nicht, wie es weitergeht. Zwanzig,
dreißig Kilometer lang ging das so. Das geht unheimlich auf die Knochen
und noch mehr aufs Gemüt.
Am Schluss
der Etappe gab es zwei Berge, zunächst eine kleine Bergwertung, dann
eine kleine Abfahrt und der 16km lange Schlussanstieg. In den ersten
Berg sind sie voll reingeblasen. Ich habe früh reißen lassen, bin dann
aber an dem Anstieg mit ein paar Mann wieder ins grupetto
reingefahren. Dann der Schlussanstieg. Unten wird dann gerufen
"grupetto", "grupetto". Das eigentliche Signal fürs grupetto gibt
aber Cipollini. Wenn der reißen läßt, ordnen sich alle um ihn herum an
und es geht los. Möglichst kräftesparend den Berg fahren und immer ein
Auge auf die Karenzzeit, ist das Motto. Je größer das grupetto,
desto besser. Heute fuhren 55 Mann drin.
So ganz
locker kann man aber auch im grupetto nicht den Berg hochfahren.
Es ist eine Quälerei. Die Beine schmerzen dabei gar nicht mal, aber Du
fährst und fährst und merkst, wie die Kräfte langsam abnehmen. Dass es
den meisten anderen Sprintern vermutlich nicht besser geht, ist auch
kein Trost. Auf den letzten fünf Kilometern gab es viele Zuschauer, die
riefen alle "Cipollini, Cipollini!". Aber viel kriegt man gar nicht mit,
wenn man den Berg hochfährt. Man ist mit der Zeit wie in Trance. Ich
habe die Etappe heute im grupetto beendet. Aber bis in die Alpen
müssen die Beine noch erheblich besser werden, sonst Gute Nacht.
Nach der
Etappe braucht man im Wohnmobil erst mal 5 Minuten, um zur Ruhe zu
kommen. Der Betreuer wäscht einem das Gesicht ab, man trinkt ein
Recovery-Getränk. Abends hatte ich richtig Hunger. Es gab im ersten
Durchgang Reis, dann Spaghetti und dann Steak mit Beilagen. Ich gehe
früh schlafen - so gegen halb elf -, und hoffe, dass ich mich über Nacht
gut erhole. Man versucht zwar, mit Vitaminen und Eiweiß-Shakes und so
was die Erholung des Körpers zu unterstützen, aber eigentlich kann man
nur abwarten und hoffen.
Und versuchen, einen guten Schlaf zu bekommen. Bis
morgen!
Erster Ruhetag
"Kein Bella Italia am Ruhetag"
Nola,
15.05.03. Den Ruhetag haben wir wirklich zum Ruhetag gemacht. Sehr
angenehm. Wir sind zwei Stunden rausgefahren zum lockeren Training.
Allzu schön war das aber nicht, die Gegend im Hinterland von Neapel ist
nicht gerade das, was man sich unter "Bella italia" vorstellt...
Wir konnten
heute ausschlafen. Aufstehen war heute morgen um 9:30 Uhr, Frühstück um
10 Uhr. Um halb zwölf sind wir rausgefahren zum Training. Zwei Stunden
durch eine total versiffte Gegend. Von Nola, wo wir in einem schönen
Hotel untergebracht sind, fuhren wir Richtung Pompeji und Vesuv. Es ging
durch tausend kleine Ortschaften. Überall lag Müll. Müllberge an der
Straße, in den Dörfern. Wir waren richtig schockiert, wie es da aussah.
Der Verkehr war auch eine Katastophe. Wegen einer roten Ampel hält hier
niemand. Ein Klischee, stimmt aber. An den Kreuzungen muss man höllisch
aufpassen und sich langsam vortasten. Ich war froh, als wir gegen zwei
wieder im Hotel waren.
Nach dem
Mittagessen habe ich mich was hingelegt, dann den Koffer mal endlich
wieder richtig aufgeräumt. Um vier Uhr stand Massage auf dem Programm.
Dann bißchen auf dem Zimmer abhängen, Fernsehen. Abendessen. Der Ruhetag
hat gut getan, auch wenn wir erst fünf Etappen hinter uns haben. Aber es
ist so: Wenn man mal wirklich fertig ist, dann bringt ein Ruhetag auch
nichts mehr. Wenn der Akku ganz leer ist, kann man ihn nicht mehr
aufladen.
Morgen
steht ein 222km langer Kanten an. Könnte was für Ausreißer sein.
Allerdings will Cipo ja noch unbedingt seine Etappe gewinnen und
Petacchi sein Rosa Trikot noch ein paar Tage behalten. Daher dürfte es
letzten Endes doch wieder zum Sprint kommen. Auf dem Papier sieht das
Profil nicht so wild aus. Zwei kleinere Berge, der letzte 45km vor
Schluss. Aber man täuscht sich oft. Was auf dem Papier harmlos aussieht,
ist in der Realität manchmal doch viel härter. Mein Ziel morgen? Mal
schauen, das beste aus der Situation machen.
Zu Euren
Mails. Zur Ernährung von uns Rennfahrern gab es viele Fragen. Für die
Rennverpflegung unterwegs machen die Betreuer "Silberlinge", wie wir das
nennen. Belegte Brötchen in Alupapier - deshalb Silberlinge.
Schinkenbrötchen oder mit Marmelade oder Frischkäse. Brötchen mit
Milchreis drauf mag ich gern. Dann gibt es natürlich die Energieriegel
in verschiedenen Geschmacksorten und Energiegetränke mit ganz
kurzfristiger Wirkung. Trinken ist ganz wichtig. Bei einer
200km-Flachetappe gehen bis zu 10, 12 Flaschen weg, wenn's richtig heiß
ist. Ich nehme zur Hälfte Mineralien-Getränk, zur Hälfte Wasser. Die
leeren Flaschen wirft man weg, für die Zuschauer ein beliebtes Souvenir.
Unser Team hat insgesamt 1200 Flaschen dabei und die werden vermutlich
nicht reichen. Sofort nach dem Rennen gibt's Recovery-Getränke von
unserem Sponsor Enervit. Das sind Eiweiß und Mineraliengetränke, sehr
wichtig zur Regenerierung. Abends essen wir dann ganz normal. Hühnchen,
Fisch oder Steak. Dazu Gemüse, Reis, Pasta, was jeder am liebsten mag.
Ich kann keine
Nudeln mehr sehen. Bis morgen!
5.Etappe
"Bißchen sauer über verpasste Chance"
Nola,
14.05.03. Das war ein langer Tag. Es ging heute früh um dreiviertel
sieben los und wir kamen nach dem Transferflug von Catania nach Neapel
erst nach neun Uhr ins Hotel. Dazwischen fünf Stunden Radrennen, ein
Berg auf Sizilien mit 1200 Höhenmetern und ein hektisches Sprintfinale.
Doch gut, dass morgen der Ruhetag ansteht.
Heute
morgen begann der Tag recht stressig. Zeit für ein gemütliches Frühstück
war keine. Wir mussten noch 100km fahren bis zur Fähre nach Sizilien.
Wir fuhren in den Autos. Die anderen Teamfahrzeuge fuhren schon direkt
nach Neapel. Auf der Fähre viel Hektik, bis wir die Tickets hatten. Es
war eine normale Fähre mit dem normalen "Zivilverkehr". 20 Minuten
Überfahrt nach Messina. Im Startort mehr Chaos. Umziehen mussten wir uns
in den Autos an einer belebten dreispurigen Straße, wo reger
Straßenverkehr herrschte.
Das Rennen
begann ganz gemächlich, niemand hatte es eilig und ich hatte wirklich
nichts dagegen, es mal piano angehen zu lassen. Der Berg nach 80km hatte
1200 Höhenmeter, 26km lang. Wir sind im geschlossenen Feld hochgefahren,
ich hatte auch keine Probleme. Aber ehrlich gesagt: Weh tut es doch.
Oben am
Berg sind dann zwei weggefahren und ab dann wurde es schnell. Im Finale
haben Fassa Bortolo und Lotto Tempo gemacht. Bis vier, fünf Kilometer
(vor Schluss) hat mich mein Team in Position gefahren, ab da musste ich
allein zurechtkommen. 3.000 Meter vor dem Ziel gab es einen Massensturz,
bei dem es (von den Sprintern) Furlan erwischte. An Position 20 oder so
hat es geknallt. Glücklicherweise kam ich ohne Probleme durch. Ich lag
dann so an zehnter, zwölfter Stelle. Bis zu einer Linkskurve 1200 Meter
vor dem Ziel. Dort versteuerten sich viele, einer landete fast im Park.
Ich musste voll bremsen, dann neu antreten. Der Sprint war für mich
damit gegessen.
Man hat
keine Chance mehr nach vorne zu kommen, wenn man ganz rausnehmen muss.
Die an der Spitze haben das Tempo mitnehmen können auf die Zielgerade.
Unmöglich in so einer Situation da nochmal ranzukommen. Bei 60
Stundenkilometern kannst du nur überholen, wenn du aus dem Windschatten
kommst und dazu nochmal 2km/h schneller bist. Bei Massensprints spurten
eigentlich nur die ersten 5 oder 10. wirklich. Der Rest fährt volle
Pulle ins Ziel. Ich habe noch einige Positionen geholt. Hundert Meter
vor Schluss habe ich rausgenommen, als ich sah, da ist nix mehr zu
machen. Am Ende war ich 16. - hinter Pantani, bei dem auch keiner weiß,
warum der in den Sprints da mit rumturnt.
Ich bin ein
bißchen sauer, weil ich eine Chance verpasst habe. Gut, der Sturz am
Ende, da muss ich froh sein, dass ich durchkam. Ich hatte auch
sicherlich nicht die allerschnellsten Beine und war nicht mehr der
frischeste. Aber man ärgert sich halt schon. Vielleicht wäre doch mehr
drin gewesen.
Nach der
Zielankunft ging es gleich in ein Hotel, wo jede Mannschaft zwei Zimmer
zur Verfügung hatte, wo wir duschen konnten. Ein heilloses Chaos in dem
Hotel. Massenweise Leute auf den Gängen, wo man sich fragt, was die da
eigentlich zu schaffen hatten. Per Bus ging es dann zum Flughafen. Vor
der Abfahrt rannten noch mal irgendwelche Zuschauer mit ihrer
Videokamera durch den Bus... Am Flughafen ging alles sehr reibungslos
und schnell. Im Flieger von Alitalia saßen nur Rennfahrer, dazu die
Sportlichen Leiter - zwei pro Team -, Polizisten und so weiter. Alle vom
Giro. Nach 50 Minuten Flug landeten wir in Neapel. Dort wartete unser
Teambus, der heute morgen direkt dahin gefahren war. Etwa um 21 Uhr
waren wir im Hotel.
Morgen
steht der Ruhetag an und das ist auch gut so. Wir werden nicht allzuviel
trainieren. Ich habe schon mal rumgefragt bei den anderen Jungs. Unser
Kapitän Totsch (Totschnig) meint, Ruhetag ist Ruhetag. Zwei Stunden
werden wir trainieren, sonst ausruhen. Und den Koffer mal wieder
aufräumen. Nach einer Woche weiß man gar nicht mehr, wo was ist. Jetzt
schauen wir noch was Fernsehen, wir haben deutsches Fernsehen.
Auf RTL läuft Fußball. Bis morgen.
4.Etappe
"Die Moral ist intakt"
San
Nicolo di Ricadi, 13.05.03. Mein Zimmergenosse Marcel Strauss fuhr heute
ein super Rennen, auch Ronny (Scholz). Unser Team hat sich gut
präsentiert. Schade, dass die Gruppe wieder gestellt wurde. Ich bekam
das ganze über Teamfunk aus der Ferne mit. Meine Beine waren nicht so
toll heute.
Gestern
fühlte ich mich wirklich gut und ich sage noch, man weiß nie, wie die
Beine sind am anderen Tag. Und heute im Rennen lief es bei mir dann gar
nicht, obwohl ich mich eigentlich gar nicht so schlecht gefühlt habe.
Aber auf dem Rad ging nichts, es ging einfach nicht flüssig. Nach 120km,
50km vor dem Ziel, stand ein 16km langer Anstieg im Profil. Da habe ich
reißen lassen.
Es bildete
sich ein grupetto - auch Cipollini war mit drin, der fuhr dann
aber nach dem Berg wieder an die Spitze zurück. Ich fuhr meinen Stiefel.
Mein ehemaliger Teamkollege Ribi (der Österreicher Werner
Riebenbauer/Fakta) kam von vorne und wir beide haben uns dann
zusammengetan und sind ins Ziel gedümpelt. Naja, gedümpelt ist
vielleicht das falsche Wort. Wir haben schon richtig Gas gegeben, auch
wenn die Karenzzeit heute kein Problem war. Wir kamen so mit 12, 13
Minuten Rückstand ins Ziel.
Ich bin ein
bißchen kaputt jetzt, aber normal kaputt. Alles im Rahmen. Was gutes
Essen, Ausruhen, gut schlafen, dann ist der Akku wieder voll. Mal
schauen, wie ich nach zwei Wochen Giro aussehe. Der Ruhetag am
Donnerstag ist willkommen, aber es ist nun nicht so, dass ich ihn
herbeisehne. Wir haben ja schließlich erst 4 Etappen hinter uns. Die
Moral ist intakt. Wenn man mal einen Klemmer hat und man sieht auf dem
Tacho, es sind noch 100km: erst dann verliert man die Moral!
Es hatte
eine Mörderhitze heute, über 30 Grad im Schatten und wer weiß wieviel
auf der Straße. Ich habe einen üblen Sonnenbrand. Wegen der neuen
Helmpflicht muss man ja jetzt auch am Berg den Helm tragen. Das ist
schon ziemlich unangenehm. Helm habe ich auch ohne Pflicht fast immer
getragen - im Sprint sowieso (wobei sie da mal ein paar Verkehrskreisel
weglassen sollten, wenn sie was für die Sicherheit tun wollen). Aber bei
Hitze und am Berg wird der Helm zum Dampfkessel. Ich habe heute gesehen,
Pantani hat sich zwei große Stücke aus seinem Helm rausgesäbelt...
Nach der
Etappe gab es noch einen 40km-Autotransfer. Wir übernachten heute in
einer herrlichen Bungalow-Anlage. Auch das Essen ist super. Großes
Salatbuffet, Steaks, Pasta zum Abendessen. Und Deutsche Welle im
Fernsehen. Morgen müssen wir aber schon früh wieder weg. Um 7 Uhr
Aufstehen. Um 9 Uhr geht unsere Fähre Richtung Sizilien und bis zum
Fährhafen müssen wir noch 90km im Auto fahren. Rennstart in Messina ist
um 11:45 Uhr. Ich war noch nie in Sizilien, soll ja schön sein dort. Wie
das Rennen wird, kann man schwer sagen. Es gibt einen Berg mittendrin.
Vielleicht fährt Fassa Bortolo voll, um Cipollini abzuschütteln.
Petacchi macht einen sehr starken Eindruck. Er ist der beste Sprinter im
Feld und wackelt nie, auch nicht an den Anstiegen. Der hat mächtig Druck
auf dem Pedal und verdient es auch am meisten, das Rosa Trikot zu haben.
Ich melde mich
aus Sizilien wieder!
3.Etappe
"Ich dachte, fahr mal mit"
Fuscaldo,
12.05.03. Ich fühle mich richtig gut nach der Etappe heute, bei der ich
zusammen mit Cipollini und zwei anderen am Ende noch versucht hatte, an
die Spitze zurückzukommen. Hat nicht geklappt, aber ich bin gar nicht
kaputt und freue mich auf morgen. Wenn es einen Sprint gibt, werde ich
versuchen, da mit reinzuhalten.
Heute
morgen gab's um 8 Uhr das erste Frühstück. Zwei Brötchen mit Schinken.
Danach habe ich mal nach dem Rad gesehen. Ich hänge gern ein bißchen mit
den Mechanikern rum, zum Quatschen. und so. Habe noch ein bißchen
gelesen. Die Zeitschriften, die wir mithaben - Spiegel, Fokus, eine
Autozeitung, sowas - tauschen wir reihum. Ich bin aber inzwischen wieder
am Anfang angelangt bei der Tauscherei. Der Lesestoff geht langsam aus..
Zum zweiten Frühstück gab es Milchreis a la Förster: Normaler Reis,
Milch drüber und Honig. Dann Umziehen, Teambesprechung, ab in den Bus
zum Startort.
Mit den
Startzeiten hier beim Giro ist es so eine Sache. Pünktlich gehts nie
los. Wir stehen dumm rum und keiner weiß, was los ist und wann es los
geht. 15 Minuten Warten oder auch mal ne halbe Stunde ist normal. Auch
im Zielbereich ist es etwas chaotischer als bei anderen Rennen. Bei
Rennen in Deutschland stehen die ganzen Teamfahrzeuge auf einem großen
Parkplatz, hier steht jedes Team woanders irgendwo in einem Eckchen. Da
muss man dann schon mal etwas länger suchen. Wenigstens musste ich heute
am Ziel nicht durchs Getümmel, wo sie einem das Trikot beinahe vom Leib
reißen. Der Teambus stand an der 1.000-Meter-Marke. 30 Zentimeter übers
Ziel, dann umdrehen.
Die Etappe
begann zunächst recht gemächlich. Nach 30km hieß es dann: Feuer frei.
Die Attacken gingen los. Beim Intergiro brauchten wir nicht zu sprinten.
Die Punkte waren schon weg, weil eine größere Gruppe rausgefahren war.
Nach der Verpflegung wurde es dann bergiger. Ein Anstieg der 3.Kategorie
im Profil. Ich habe mich ganz an Cipollini orientiert. Als der hat
reißen lassen, haben sich alle brav dahinter eingeordnet und das
grupetto bildete sich.
In der
Abfahrt bekam Cipollini aber einen Rappel und hat Tempo gemacht, hat
sich aus der Gruppe verabschiedet. Ich dachte, fahr mal mit, schaden
kann's nicht. Galvez von Kelme und Backstedt von Fakta sind auch mit. Zu
viert sind wir die 12km Abfahrt Harakiri gefahren. War sehr gefährlich:
enge Straßen, viele enge Kurven. In einigen Kurven haben Galvez und ich
auf dem Vorderrad des anderen rumgeturnt. Ist aber nix passiert. Wir
sind zügig gefahren, haben die Grüppchen eine nach der anderen eingeholt
und stehen lassen. Bis 5km vor dem Ziel sind wir voll gefahren. Dann
wurde klar, dass wir die Spitze nicht mehr kriegen und wir sind locker
ins Ziel gerollt.
Morgen
könnte es bei der Etappe wieder einen richtigen Sprint geben, wenn Fassa
Bortolo das Feld zusammenhält. Die letzten Kilometer geht es bergab. Mal
schauen, wenn ich die Beine habe, werde ich da am Ende versuchen, vorne
mit reinzuhalten. Aber man weiß nie, wie die Beine sind. Manchmal steht
man morgens auf und steht am Start, man fühlt sich schlapp und man denkt
sich: Was ist nun los! Das kann man nicht vorhersagen. Drückt mir die
Daumen, dass die Beine morgen gut sind!
2.Etappe
"Meine erste grupetto-Erfahrung"
Bernalda,
11.05.03. Das war schon ein bißchen anstrengender heute. Nach dem
ruhigen Beginn stand am Ende so ein richtiger Weh-Tu-Berg im Profil. Da
musst Du 80kg Sprinter-Gewicht dann erstmal mit Sauerstoff versorgen...
Nach dem
Frühstück heute morgen (Müsli und Spaghetti) hatten wir einen
30km-Autotransfer bis zum Startort. Dort wie üblich Einschreiben,
Kaffeetrinken im Giro-Village, bißchen quatschen. Dann gings los. Die
ersten Kilometer fuhren wir locker, alles sehr ruhig. 10km vor dem
Intergiro (KM 50) beginnt dann das große Gerangel um die vorderen Plätze
im Feld. Ich habe heute bei dem Zwischensprint mal versucht, mit
reinzuhalten. Wurde Dritter hinter Cipollini und Petacchi. Das war schon
mal ganz sportlich, denke ich.
Nach dem
Intergiro begannen die Atacken. 10km vor dem Berg wurde es dann richtig
schnell und vorne bildete sich eine Gruppe, die Tempo fuhr. So etwa
einen Kilometer vor dem Berg habe ich reißen lassen müssen. Zunächst war
ich noch in der Cipollini-Gruppe drin, später in einer zweiten Gruppe.
Meine erste grupetto-Erfahrung beim Giro. Für mich als Sprinter geht es
in so einer Situation nur darum, möglichst kräftesparend ins Ziel zu
kommen. Es ist letztlich auch völlig egal, ob ich noch über den Berg
drüberkomme in der Spitzengruppe und dann am Ende doch reißen lasse. Der
Anstieg sah auf dem Papier gar nicht so heftig aus, es war aber ein
echtes Ekel-Ding, ein Weh-Tu-Berg. Die Klassementfahrer fahren da mit
dem großen Blatt hoch, ich mit nem 15er. Da beginnt dann die so genannte
Pressatmung - 80kg reine Sprintkraft musst Du auch erst mal mit
Sauerstoff versorgen... :-)
Bei der
Zielankunft war hinter der Ziellinie die Hölle los. Tausend Leute und da
muss man sich dann durchkämpfen durchs Gewühl. Da musst du alles
festklammern, sonst ist es weg. Dass sie dir nicht noch das Trikot vom
Leib reißen ist alles. Die Flaschen waren sofort weg. Einer zieht mir am
Helm, andere fummeln mir in den Trikottaschen rum. Ich verschenke gern
Souvenirs, ist doch klar. Aber das war dann schon etwas krass.
Einige
fragten per Mail nach meinem Sturz gestern. Nun, ich bin gar nicht
gestürzt. Es ist so, dass ich oft verwechselt werde mit meinem
Teamkollegen Gerhard Trampusch, obwohl wir uns eigentlich gar nicht so
ähnlich sehen. Aber im Fernsehen sieht das wohl so aus. Selbst meinen
Eltern geht das manchmal so: Mensch, warst ja super heute am Berg, sagen
die schon mal. Dabei war ich gar nicht vorne. Also gestern, das war
Gerhard, der gestürzt ist. Ihm ist aber nicht viel passiert, er war
heute sehr gut unterwegs und kam unter die ersten Zwanzig.
Wir haben
ein schönes Hotel heute, etwas abgelegen. Fakta und Panaria sind auch
hier untergebracht. Ich teile das Zimmer heute mit Marcel Strauß. Wer
mit wem im Zimmer schläft, das wechseln wir im Team während einer
längeren Rundfahrt schon mal. Das ist besser für den Teamgeist und
außerdem verhindert das den berühmten Lagerkoller. Das Hotel ist schön,
Essen gut. Leider gibt es kein deutsches Fernsehen. Irgendwas blödes im
Fernsehen gucken, entspannt so schön. Bis morgen!
1.Etappe
"War nicht mein Tag"
Gallipoli,
10.05.03. Mann, was war das heiß heute! Bin ganz schön kaputt. Die
ersten 130km der Etappe fuhren wir sehr ruhig, dann kam der erste
Intergiro, wo sie alle schon voll reingehalten haben, als gings um die
WM. Ab da gings dann voll zur Sache. Wenn man erst 130km lang jeden
zweiten Tritt auslassen und dann anschließend 70km Vollgas fahren muss,
das bringt manch einen Motor zur Überlastung... Das Finale war super
hektisch, viele Stürze. Die letzten fünf Kilometer fuhren wir durchweg
mit 65km/h.
Auf den
letzten Kilometern so einer Sprintetappe muss man unheimlich aufpassen.
Bei diesem Tempo ist man sofort weg vom Fenster, wenn man sich in einer
Kurve nur ein kleines bißchen versteuert, hat man schon zehn Plätze
verloren. Man muss absolut hochkonzentriert sein, In Sekundenbruchteilen
kannst Du jetzt alles verlieren. Mein Sprint war nicht berauschend, ich
wurde Siebzehnter. Ich hatte nicht die Beine für eine bessere
Platzierung. Nach ein paar Tagen Rennpause muss man erstmal wieder
reinfinden. Mir gings auch gestern Nacht und heute morgen nicht
besonders gut. War nicht mein Tag, aber der kommt ja vielleicht noch.
Aufstehen
war heute morgen um acht Uhr. Neun Uhr Frühstück. Es gab Müsli, Reis und
Spaghetti. Ich kann aber keine Pasta mehr sehen. Ich habe mir den Reis
genommen, Milch drüber geschüttet und was Honig drüber - lecker,
ehrlich! Um 10:15 Uhr fuhren wir mit Wohnmobil und drei Autos nach
Lecce, dem Startort. Erst mal einen leckeren Kaffee trinken im
Giro-Dorf, Einschreiben, dann wieder zurück ins Wohnmobil, wo man sich
ganz in Ruhe und konzentriert auf die Etappe vorbereiten kann und etwa
noch mal einen Blick in den Etappenplan wirft. Das ist sehr angenehm,
wenn man ein schönes Team-Wohnmobil hat. Wenn man in einem Auto sitzt
oder so, dann klopft ständig irgendwer und will was.
Es gibt
hier in Süditalien wahnsinnig viele radsportverrückte Fans und
Zuschauer. Vor allem natülich schauen alle auf Pantani und noch mehr auf
Cipollini. Wo immer der auftaucht, bildet sich eine riesige
Menschentraube. Das ist noch wesentlich mehr Rummel um ihn hier als um
Ulle (Ullrich) bei uns in Deutschland. Im Sprintfinale war ich heute
Cipollini so nahe wie noch nie, man fährt ja nicht sehr oft in einem
Rennen mit ihm. Ich bin jetzt im dritten Jahr Profi und gucke hier aufs
Hinterrad von Cipollini. Schon ein komisches Gefühl, aber groß
nachdenken kann man über sowas natürlich nicht im Rennen.
Gleich um
19:30 Uhr gehts zur Massage, Abendessen ist um halb neun. Danach
vielleicht noch ein bißchen Zeitung lesen, dann gehts früh ins Bett.
Morgen gibt es eine Flachetappe, aber 1.000 Meter vor Schluss steht ein
5 bis 6 Prozent steiler Anstieg im Profil. Könnte vielleicht ganz gut
einer wegfahren, so wie Bertogliati letztes Jahr bei der Tour de France.
Drückt mir die Daumen, bis morgen.
Vor dem Start
"Ich denke jetzt schon an den Zoncolan"
Gallipoli,
09.05.03. Es ist jetzt Freitagmittag, ich komme gerade vom Mittagessen
zurück. Es sind keine 24 Stunden mehr bis zum Start am Samstag, aber
nervös oder so bin ich noch gar nicht. Das Kribbeln beginnt heute Abend,
wenn die erste Teambesprechung stattfindet, wenn die Startnummern
ausgegeben werden. Ich habe übrigens die Nummer 93.
Wir sind am
Mittwoch von Deutschland aus nach Brindisi geflogen, von dort nochmal
100km mit dem Auto weiter nach Süden. Abends sind wir nochmal eine
Stunde kurz raus zum Trainieren. Wir wohnen bis morgen in Gallipolli.
Die Gegend ist ein bißchen trostlos, nicht gerade wohlhabend. Gestern
morgen stand die Gesundheitskontrolle auf dem Plan. Morgens um 7:30 Uhr
mussten alle unten im Hotel beim UCI-Kommissar antreten mit UCI-Pass und
Gesundheitspass. Der zapft einem dann Blut ab. Die Gesundheitschecks
sind auf jeden Fall richtig, erst recht nach dem, was beim letzten Giro
da alles los war... Nach dem Besuch beim "Vampir" haben wir schön
draußen gefrühstückt, in Strandnähe. Herrliches Wetter. Man lebt
manchmal nicht schlecht als Radprofi!
Nach drei
Stunden Training am Nachmittag stand abends in Lecce die große
Präsentation der Teams und Fahrer auf dem Programm. Es waren wahnsinnig
viele Leute da. Der ciclismo hat hier in Italien doch noch einen
anderen Stellenwert als in Deutschland, das merkt man auch beim
Training, wo sie immer alle (freundlich!) hupen und winken. Nach der
Teamvorstellung waren wir gegen halb elf wieder im Hotel, ich bin früh
schlafen gegangen. Heute war auch noch mal etwas relaxen angesagt.
Gleich nach dem Kaffeetrinken schaue ich nochmal nach dem Rad, ein
bißchen Massage. Dann Teambesprechung.
Wir haben
uns schon mal die Etappenpläne und Profile angeschaut. Als Sprinter
fällt einem dabei besonders unangenehm dieser üble "Montezuma" (Monte
Zoncolan/
die schwere Bergankunft bei der 12.Etappe) ins Auge. Ein Wahnsinns-Teil.
Wir haben schon überlegt, ob wir auch alles Material dabei haben, die
richtige Übersetzung für den Berg, der bis zu 22 Prozent steil ist. Ich
denke jetzt schon an den Zoncolan und die anderen schweren Berge.
Schließlich lautet mein erstes Ziel: Bis nach Mailand kommen!
Morgen, die
erste Etappe ist erst einmal eine Flachetappe, bei der es einen Sprint
geben dürfte. Ich will auf jeden Fall da vorne mit reinhalten. Bin mal
gespannt auf den ersten Sprint. Wird Cipollinis Team da das Feld
kontrollieren? Oder wird da jedes Team so seinen Zug machen? Vom Team
habe ich keinerlei Druck, aber ich mache mir selbst Druck. Ich habe
schon einen gewissen Ehrgeiz. Mal schauen, wievielter ich werde...
Drückt mir die Daumen!
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