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Frösis Tagebuch habe ich auf der Seite Radsport-NEWS.com gefunden. Es ist sehr informativ und kurzweilig geschrieben. Auf jeden Fall muß sich Frösi keine Gedanken machen was er nach seiner aktiven Karriere anfangen soll .....

Also viel Spaß beim Lesen :-)
http://radsport-news.com/news/giro2003froesi.shtml
http://radsport-news.com/news/giro2003froesi2.shtml


Robert Förster, 24 Jahre alt und aus Markkleeberg bei Leipzig, begann seine Profikarriere vor zwei Jahren im "Nürnberger"-Team mit einer ganzen Reihe von Siegen. Er gilt als eines der größten Sprinttalente in Deutschland. Nach einer von Erkrankungen überschatteten Saison wechselte er in diesem Jahr zu Gerolsteiner, wo er behutsam weiter aufgebaut werden soll. Beim Giro d'Italia bestreitet er zum ersten Mal eine große Rundfahrt. Exklusiv für RADSPORT-NEWS.COM führt "Frösi" ein Renntagebuch vom Giro.


Haben Sie Fragen, Kommentare oder Anregungen?
Schicken Sie einfach eine Mail an
girotagebuch@radsport-news.com.
Frösi wird auf Ihre Fragen nach Möglichkeit in seinem Tagebuch eingehen.


 18.Etappe
"Umsonst gekämpft"  

Chianale, 29.05.03. Bei der schweren Bergetappe heute lief bei mir alles prima. Ich hatte gute Beine am Start, es war schwer, aber ich konnte mit dem großen grupetto der Sprinter ohne Probleme mitfahren. Alles super. Bis im Ziel plötzlich einer sagt, es könne doch noch eng werden mit der Karenzzeit. Das ganze grupetto haben sie rausgenommen. Gekämpft - und alles umsonst. Ich bin total enttäuscht. Ich habe mich gut gefühlt heute morgen und ich hielt mich auch gut im Rennen. Am Colle d'Esischie, dem Dach des Giro, bildete sich das grupetto mit 40 Mann. Petacchi fuhr noch weiter hinten. Für mich lief alles nach Plan. Ein schön großes grupetto und mir gehts gut. Was soll da schon passieren? ich fuhr am Anschlag den Berg hoch, die Passstraße war eher ein Feldweg gen Himmel. Als wir oben waren an der Passhöhe in 2366 Meter Höhe gings mir auch noch gut. Immer noch alles im Plan.

In der Abfahrt vom Esischie gabs jedoch Probleme. Im grupetto muss man in der Abfahrt versuchen, soviel Zeit wie möglich wieder gutzumachen auf die Spitze, man muss sich riskant in die Abfahrt stürzen. Das ging jedoch heute leider überhaupt nicht, denn auf der Passstraße turnten hundert Touristenfahrer rum, sogar Autos fuhren auf der Rennstrecke. Das war erstens saugefährlich und zweitens hat es uns mächtig aufgehalten. Alle im grupetto waren sauer. Wir haben dadurch mehrere Minuten verloren und jetzt könnte man anfangen zu rechnen. Aber das nützt ja auch nix mehr.

Am zweiten großen Berg wieder im grupetto rein. Es gab ein Gewitter, Regen, Kälte. 8 Grad. Drei Kilometer vor der Passhöhe in über 2000 Metern Höhe Schnee auf der Strasse.. Die Abfahrt war mordsgefährlich. Nicht nur dass es glatt war, dazu wieder jede Menge Touris auf der Strasse, Autos. Eine absolute Katastrophe. Helmpflicht? Bei solchen Zuständen eher ein Alibi, ein böser Witz.

In den Schlussanstieg sind wir mit einer 35 Fahrer großen Gruppe reingefahren. 35 Mann nehmen sie normal nie raus. Und selbst wenn einer bessere Beine gehabt hätte, niemand würde aus dem grupetto heraus attackieren. Das macht man einfach nicht, das ist gegen die Ehre. Auf den letzten 5km gingen bei mir die Lichter aus, aber ich blieb in der Gruppe drin. Irgendwie habe ich mich ins Ziel gequält, wie, weiß ich selbst nicht. Ich schaue auf die Uhr: 40 Minuten. Das Limit lag bei 36 Minuten, elf Prozent der Siegerzeit. (Bei der Tour de France gibt es bei ähnlichen Etappen schon mal 18 Prozent Karenzzeit.) Aber würden sie auch wirklich 35 Mann rausnehmen? Bei extremen Wetterbedingungen wie heute hat die Jury da recht großen Entscheidungsspielraum.

Nun ja, sie haben 35 Mann rausgenommen. Ich bin sehr enttäuscht. 4500 Höhenmeter, so gekämpft - umsonst! Und dabei lief es ja alles sehr gut, alles optimal, denn selbst wenn ich die Kraft gehabt hätte, greife ich ja nicht aus dem grupetto heraus an am Schluss. Alles umsonst gewesen. Ich kann morgen nach Hause fahren. Okay, ich muss es akzeptieren, so ist Radrennen eben. Und vorzuwerfen habe ich mir nichts, ich habe alles gegeben. Aber die Enttäuschung ist halt im Moment sehr groß. Ich melde mich nochmal, wenn ich wieder zuhause bin. Bis dann! a


Frösi bei der 18.Etappe
Foto: Sabine Jacob


17.Etappe
"Alle ko nach dem Ruhetag"


Foto: Sabine Jacob
 

Asti, 28.05.03. Heute lief es für mich im Sprint ganz ordentlich. Neunter Platz. Noch drei Wochen und ich gewinne eine Etappe... Heute abend denke ich aber nicht mehr so sehr an den Sprint, sondern an die böse Bergetappe morgen. Habe schon ein bißchen Angst, dass ich die Karenzzeit verpasse.

Ich dachte eigentlich, heute würde vom Start weg Vollgas gefahren. Doch es blieb ganz ruhig. Die ersten 20 bis 30km sind wir ganz piano gefahren. Ich habe ein bißchen geplaudert mit Freund Ribi (dem Wiener Werner Riebenbauer von Fakta). Ich habe geflachst: Was riecht's denn heute im Feld so nach Schlamm? Ribi war gestern in einen Graben gestürzt und war über und über eingesaut danach. Er meint, er wäre ganz kurz eingenickt, Sekundenschlaf, schon lag er im Graben. Ihm ist ja glücklicherweise nix passiert, da kann man dann drüber lachen.

Man hat gemerkt, dass sie heute alle im Feld total KO waren. Fassa Bortolo hat das Feld kontrolliert, als der von Tenax rausfuhr. Lange dauerte die Flucht nicht. Im Profil stand ein kleiner Berg, ein Hügel eigentlich. An dem hatten alle Mühe, als wärs ein Alpenriese. Nach dem Ruhetag war es für alle unheimlich schwer heute. Ein Tag Pause und der Körper stellt sich um auf Erholung. Danach gehen die Beine zu, Du kannst kaum atmen. Als würdest Du zum ersten Mal auf dem Rad sitzen. Mein Puls war 15 Schläge höher als vorgestern. Außerdem war es heute noch unangenehm heiß, 33 Grad. Das hat die Etappe schwer gemacht, obwohl sie ganz kurz war und eigentlich flach.

Im Sprintfinale habe ich mich dann aber wieder ganz gut gefühlt. Viel besser als bei den letzten Sprintetappen, auch vom Kopf her. Die letzten drei Kilometer ging es geradeaus, bei 500 Meter eine leichte Rechtskurve. Alles perfekt für einen Sprint. Mein Teamkollege Steffen Weigold hat für mich super den Sprint vorbereitet, bis 1.000 Meter (vor Schluss) hat er sich leer gefahren. Auf dem letzten Kilometer fuhr ich vorne unter den ersten Zehn. Es ging ordentlich zur Sache. Lenker an Lenker, Furlan hat sich gekabbelt mit Casper. Ich wollte nicht zu früh in den Wind, ich warte. 250 Meter vor dem Ziel will ich antreten, ich hatte auch die Beine für einen Antritt. Doch alles war zu. Links, rechts, vor mir - ich bin eingeklemmt und kann nur noch weiterfahren bis ins Ziel. Neunter Platz. Hätte besser sein können - aber auch schlechter!

Nach der Etappe hatten wir einen 100km langen Transfer, um 19:30 Uhr kamen wir erst ins Hotel. Dann noch Massage, Abendessen. Um 22 Uhr im Hotelzimmer. Der Tag morgen macht mir doch einige Sorgen. Die heimliche Königsetappe mit fast 70km bergauf. Zwei hohe Berge mit je 20km Anstieg plus Schlussanstieg. Ich habe doch schon Angst, das Zeitlimit nicht zu schaffen. Das Feld ist kleiner, das grupetto kleiner, das ist nicht gut. Ich will versuchen, irgendwie an Petacchi dranzubleiben. Das schlimmste wäre, wenn das Feld den ersten Berg einen Tick zu schnell hochfährt für mich und ich früh schon am ersten Berg reißen lassen muss. Dann wäre ich bestimmt draußen. Wenn ich im grupetto bleiben kann, habe ich eine Chance. Ich werde aber in jedem Fall kämpfen bis zum Umfallen. Drückt mir die Daumen!

Fans fragen Frösi

Ich fahre selbst Jedermannrennen und wollte mal fragen, ob Radprofis während des Rennens viel von der Landschaft mitbekommen?  Frösi: Von der Landschaft bekomme ich im Rennen so gut wie gar nichts mit. Ich glaube, ich würde nicht mal wieder dorthin finden einen Tag später. Man ist zu sehr konzentriert. Beim fahren im Feld muss man aufpassen und auch, wenn man allein den Berg hochfährt, nimmt man wenig wahr vom drumherum. Die Landschaft genieße ich nur nach dem Rennen.

Hi Frösi, was nimmst Du eigentlich während des Rennens als Verpflegung mit und was habt ihr in den Trinkflaschen? Frösi: Vor der Etappe stecke ich mir 4 bis 5 Silberlinge (kleine Brötchen in Alupapier) in die eine Trikottasche, drei, vier Energieriegel in die andere. In der mittleren Trikottasche ist das Funkgerät. Nachschub gibts bei der Verpflegungsstelle. Dort bekommen wir einen Beutel mit nochmal drei Silberlingen, flüssige Kohlenhydrate, drei Riegel, eine Trinkflasche mit Wasser, eine Flasche mit Enervit-Mineraldrink. Die "Silberlinge" sind Brötchen mit Marmelade, Schinken oder Milchreis. Zu trinken gibts natürlich während der Etappe noch mehr. 10 bis 15 Flaschen gehen manchmal weg. Auf den letzten 20km wird es aber teuer, wenn man sich noch eine Flasche holt. Da ist es nach dem Reglement nicht mehr erlaubt, "nachzutanken". Aber wenn einem am letzten Berg so richtig die Zunge raushängt, nimmt man auch gerne eine Geldstrafe in Kauf!

Zweiter Ruhetag
"Ruhiger Ruhetag"

Cervesina, 27.05.03. Wir hatten einen ganz ruhigen Ruhetag. Ausschlafen, eine lockere Trainingsfahrt, Relaxen, bißchen Ablenkung vom Rennen. Hat gut getan. Wir konnten heute morgen ausschlafen bis um 10 Uhr. Das wunderschöne Schlosshotel, in dem wir hier untergebracht sind, konnten wir so wenigstens auch ein bißchen genießen. Am Ruhetag gibts ein ganz normales Frühstück mit Brötchen, mal keine Spaghetti und Reis. Danach sind wir gegen halb zwölf rausgefahren zu einer kleinen Trainingsausfahrt. Naja, Training kann man das nicht nennen. Man läßt die Beine baumeln, fährt einen 28er Schnitt, kleine Gänge. Keine Anstrengung. Die Ausfahrt dient vor allem der Regeneration, um die Beine locker zu halten. Leichtes Training im eigentlichen Sinn geht schon über drei oder vier Stunden und man fährt dann nach Puls.

Wir sind anderthalb Stunden gefahren durch eine nette, ruhige, ländliche Gegend. Beim Fahren unterhält man sich ein bißchen, aber nicht übers Rennen. Man plaudert so über Gott und die Welt. Wir haben so rumgesponnen, auf was wir uns jetzt schon freuen, wenn wir nach Hause kommen. Um 13:30 Uhr haben wir Mittag gegessen, ganz gemütlich und lange. Danach habe ich ein kleines Nickerchen gemacht. Um 16 Uhr gabs Kaffee, draußen im Hotelgarten. Mit Steffen Weigold habe ich noch bißchen DVD geschaut, dann Massage, Abendessen. Ein ruhiger Tag, der hat wirklich gut getan.

Die Etappe morgen ist kurz und flach. Ich denke mal, dass es eine Sprintankunft gibt. Da haben bestimmt zuviele Teams ein Interesse daran, das Feld zusammenzuhalten. Nicht nur Fassa und Domina für den Sprint am Ende, auch Biases Team und Svoradas Lampre dürften nicht an Ausreißern interessiert sein wegen der Intergiro-Wertung, in der Backstedt seit dem Zeitfahren knapp führt (Auch merkwürdig, dass man beim Zeitfahren eine "Zwischensprintwertung" einbaut). Bei diesem Giro gab es bisher noch keine richtige Ausreißergruppe!

Was mich angeht im Sprint - naja, was soll ich sagen. Werde es wieder versuchen, zu verlieren habe ich ja nichts. Jemand fragt, ob ich Druck habe vom Team? Nein, den habe ich ganz und gar nicht. Gerolsteiner ist hier beim Giro ganz auf unseren Kapitän Totsch (Totschnig) ausgerichtet, der wieder auf einem super siebten Gesamtrang liegt. Klar, dass das jetzt Vorrang hat gegenüber allem anderen. Wenn ich ein Resultat hole, ist es um so besser. Wenn nicht, reißt mir niemand den Kopf ab. Nur ich ärgere mich...

Fans fragen Frösi

Welches Programm fährst Du nach dem Giro? Frösi: Ich werde nach dem Giro erstmal eine Woche Pause machen. Dann mal schauen, vielleicht Tour de Suisse. Die Tour de France fahre ich auf keinen Fall und bei der Vuelta startet Gerolsteiner nicht. Mein nächster Start in Deutschland dürfte die Sachsen-Tour im Juli sein.

Wie hält Ihr bei drei Wochen Sitzen eigentlich euren "Allerwertesten" fit? Welchen Sattel fährst Du? Das wichtigste ist dabei der Sattel. Da muss jeder Rennfahrer für sich ganz individuell den richtigen finden. Ich fahre den SLP XP von Selle Italia. Die bauen die besten Sättel und das sage ich nicht, weil die unser Sponsor sind. Man benutzt regelmäßig Sitzcremes und Lederfett fürs Sitzleder der Hose. Dann gibts eigentlich keine Probleme.


16.Etappe
"Petacchi gab einen aus"

Cervesina, 26.05.03. Das war überhaupt nicht mein Tag. Mehr als eine Stunde lang bin ich am Anfang vorne rumgeeiert, weil wir hofften, dass eine größere Gruppe weggeht und ich da mit reinsollte und wollte. Aber daraus wurde nichts und im Sprintfinale am Ende war ich ganz schlecht. Die Beine nicht gut und vom Kopf her war ich noch schlechter drauf. Sch... Tag. Gut dass jetzt Ruhetag ist.

Wir haben heute darauf spekuliert, dass zehn Mann oder so, die im Gesamtklassement jenseits von gut und böse sind, rausfahren und sie die im Feld dann auch gewähren lassen. Ich wollte da mitfahren und meine Chance dann in einem Sprint der Gruppe suchen. Das Rennen begann auch sehr nervös, vom Start weg ein einziges Gespringe. 40, 50km lang habe ich vorne aufgepasst und bin immer mitgefahren, wenn ich dachte, das könnte jetzt eine Fluchgruppe werden. Doch Fassa Bortolo hat keinen wegfahren lassen. Kurze Zeit sind zwei weggekommen, aber nicht weit und beim Intergiro 44km vor Schluss waren wieder alle da. Den Rest haben Fassa, Domina, Lampre und Saeco das Feld kontrolliert bis zum Massensprint. Meinen Freund Ribi (Werner Riebenbauer/Fakta) haute es 25km vor Schluss in einen Graben, Ihm ist nichts passiert, aber der sah aus! Von Kopf bis Fuß mit Schlamm eingesaut...

Im Sprint war bei mir am Ende völlig die Luft raus. 25.Platz - zwischen Popovych und Simoni... Normalerweise hätte da viel mehr rausspringen müssen. Es wäre eine gute Chance gewesen. Ich bin enttäuscht. Die Beine waren gar nicht so das Problem, es war mehr eine Kopfsache und ich weiß selbst nicht so richtig, was war. Aber irgendwie war ich zum Schluss richtig schlapp, im Kopf müde. Sprinten ist eine Kopfsache, die Einstellung spielt eine ganz große Rolle. Wenn Du einen Lauf hast wie Petacchi, dann gelingt Dir alles. Auch, weil Du das Selbstvertrauen hast, man wächst über sich hinaus, weil man weiß, es geht. Da fährt man gleich viel aggressiver.

Alessandro Petacchi ist mir sehr sympathisch. Das ist ein richtig netter. Heute sind wir im gleichen Hotel untergebracht wie er und seine Fassa Bortolo-Mannschaft und Domina Vacanze. Beim Abendessen hat Petacchi ein paar Flaschen Sekt geordert. Er ging rum und hat mit allen auf seinen Etappensieg angestoßen. Eine sehr schöne Geste.

Ich habe übrigens von meinen Teamkollegen bei Gerolsteiner beim Giro einen neuen Spitznamen bekommen: Der "Hubschrauber". Hubschrauber verlieren in der Höhe an Leistung. Der Hubschauber hatte keinen guten Landeanflug. Der Hubschrauber braucht Kerosin. Solche Sprüche kommen dauernd. Sogar über Funk nennt mich unser Sportdirektor schon Hubschrauber. Total lustig. Bißchen Spaß brauchst Du auch. Zwei Wochen der selbe Trott. Radrennen - aber vorher und nachher jeder Tag wie der andere. Man hat keine Zeit für sich selbst. Es ist meine erste dreiwöchige Rundfahrt, aber ich denke, gegen Ende reicht es einem dann auch fürs erste. Gut dass morgen der zweite Ruhetag ist. Wir werden ein bißchen trainieren, eine Stunde oder anderthalb. Mehr nicht. Ein bißchen zur Ruhe kommen, auf andere Gedanken kommen. Dann wird der Kopf auch wieder frischer und es kann weitergehen auf die letzten fünf Etappen. Bis morgen!

Fans fragen Frösi

Wie errechnet ihr, bei welchem Kilometerstand bis zum Ziel ihr bei einer Ausreißergruppe zufahren müsst, um sie noch vor den Ziel einzuholen?   Frösi: Das kommt ganz drauf an. Wieviele Fahrer sind in der Gruppe? Wann sind sie rausgefahren? Wenn zwei Mann schon 200km vorne sind, dann braucht man gar nicht mehr viel Tempo zu machen, selbst wenn sie 15 Minuten Vorsprung haben. Die kommen fast immer von alleine zurück auf den letzten Kilometern. Faustregel: Es müssen mehr Verfolger sein als Ausreißer. Also: Wenn zehn Mann vorne kreiseln, werden sie nicht geholt, wenn fünf Mann einer Mannschaft im Feld Tempo machen. Aber das ist alles ist immer auch Gefühlsache. Über die Abstände werden wir im Feld immer informiert.

Wie schwer ist es eigentlich für einen eher unerfahrenen und jungen Sprinter, an das Hinterrad von Cipollini oder Petacchi zu kommen und auch dran zubleiben bis zum Sprint?   Frösi: Das ist sehr schwer. fast unmöglich. Um Petacchis Hinterrad balgen sich immer zehn Mann. Eine Kurve, schon hat sich wieder einer dazwischen gedrängelt. Da ist auch ständig Bewegung im Feld. Ein Hin- und Hergespüle. 3.000 Meter vor Schluss muss man vorne, unter den ersten sieben, acht Mann sein, sonst hat man keine Chance mehr auf den Sieg. Bei "normalen" Rennen kommt man auch auf der Zielgerade nochmal nach vorne. Aber beim Giro wird von den "Zügen" der Teams ein solches Tempo und auch so aggressiv gefahren, da ist das ganz anders.

15.Etappe
"Zeit zum Durchatmen"

Torbole, 25.05.03. Für Sprinter sind Zeitfahren an und für sich nicht so spannend. Im Gesamtklassement geht es für mich um nichts und letzten Endes interessiert es auch keinen, ob ich 80. bin oder 40. Und trotzdem entwickelte ich ein bißchen Ehrgeiz, nur für mich selbst.  Heute früh hätte ich was länger schlafen können, aber um Viertel vor Acht bin ich aufgewacht. Frühstück mit meinem Cousin, der zu Besuch da ist. Danach verabschiedete ich mich von meinem Zimmergenossen Marcel Strauss, der gestern bei der Bergetappe aussteigen musste. Das ist schon ein bißchen traurig. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie das ist. Ein Scheiss-Gefühl. Man fährt nach Hause, sieht die anderen im Fernsehen und wäre selbst doch gern noch dabei.


Frösi am Start des Zeitfahrens am Sonntag
Foto: Sabine Jacob

Mit der ersten Busladung von uns bin ich dann zum Start gefahren. Gegen elf kamen wir an, ein bißchen vorbereiten, warmfahren. Um 11:45 Uhr war mein Start. Ich bin mein Tempo gefahren, nicht verbissen, aber schon zügig. Bei 40km kann man durchaus ja auch die Karenzzeit verpassen, wenn irgendwas passiert. Daher lieber eine Minute schneller, eine Stunde mehr oder weniger Vollgas macht jetzt nach 14 Etappen nun auch nichts mehr. Auf Platz 48 kam ich. Ich hätte ruhig ein bißchen langsamer fahren können, aber ich habe schon ein bißchen Ehrgeiz entwickelt. Eigentlich blödsinnig. Ob Platz 50 oder 90 ist ja egal. Aber man will sich vielleicht selbst ein bißchen was beweisen. So etwa 5 Kilometer vor dem Ziel habe ich den vor mir gestarteten Nick Gates (Lotto) eingeholt. Der fuhr bei Agro Adler und letztes Jahr bei Wiesenhof- jetzt fährt er Giro und gleich danach die Tour de France. Schon lustig. Naja, jedenfalls, wenn man einen Fahrer vor sich hat, macht das einen nochmal richtig schnell. So wie man umgekehrt gleich langsamer wird, wenn man hinter sich das wuuusch hört vom Scheibenrad des Mannes hinter einem.

Zeitfahren ist langweilig. Die, die um den Sieg mitfahren oder um eine Platzierung in der Gesamtwertung, sind natürlich hochkonzentriert. Aber wenn es um nichts geht, dann denkst Du während des Rennens über Gott und die Welt nach. Eine Stunde ist lang. Irgendwo am Berg saßen zur Mittagszeit Fans und haben gegrillt. Würstchengeruch in der Luft... und ich hatte nur Marmeladenbrötchen zum Frühstück! Wär' am liebsten abgestiegen und hätte mitgegessen.

Nach dem Rennen habe ich im Ziel auf drei andere von uns gewartet, dann sind wir im Teamauto 100km Richtung Gardasee gefahren, wo die Etappe am Montag weitergeht. Um 17 Uhr war ich im Hotel. Massage, danach bin ich ein bißchen zu den Mechanikern gegangen zum fachsimpeln. Fernsehen. Heute abend werden wir vielleicht ein bißchen rausgehen, Spazierengehen. Die Gegend ist schön. Frische Luft schnuppern. Zeit zum Durchatmen ist auch im Rennen. Nach den schweren Bergetappen kam der einstündige Arbeitstag heute wie gerufen. Morgen eine Flachetappe, dann der zweite Ruhetag. Mal keine Angst vorm Rausfliegen.

Bei der Etappe morgen dürfte es eine Sprintankunft geben. Und viele gute Sprinter sind ja schon weg, das macht einem noch mehr Hoffnung. Allerdings sind auch noch viele schnelle Leute da, z.B. der Casper, Bennati, Svorada und einige mehr. Ich will da natürlich voll reinhalten, wenn es zum Sprint kommt. Entscheidend ist immer die Tagesform und da weiß man abends vorher nie, wie die morgens sein wird. Mal schauen, drückt mir die Daumen!

Fans fragen Frösi

Was für ein Material fährst Du beim Zeitfahren? Frösi: Ich fuhr heute eine Zeitfahrmaschine von Wilier, Alu-Rahmen. Carbon-Hinterradscheibe. Übersetzung 53x11 bis 39x21.

Warum ein Scheibenrad beim Zeitfahren?  Frösi: Das Scheibenrad ist vor allem wegen der Aerodynamik schneller als Speichenräder. Weniger Windverwirbelungen, aber nur wenn es richtig rollt. Bergauf macht es eher langsamer. Es hat aber auch eine psychologische Wirkung: Bei Scheibenräder gibt es dieses Wuuusch-Geräusch beim Antritt. Wenn man das hört und es läuft gut, dann gibt es einem noch den extra Auftrieb.

Wieviele Helme gehen verloren, wenn Ihr sie vorher bei einer Bergankunft so achtlos in den Graben befördert? Sind doch nette Andenken!  Frösi: Gestern bei der Dolomitenetappe haben wir nur den Helm von Totsch (Totschnig) verloren. Unten am Berg stehen Betreuer von ein, zwei Teams. Die sammeln die Helme für alle anderen Teams mit ein. Am anderen Morgen werden die wieder verteilt. Alle immer wegzuschmeißen, wäre ein bißchen teuer auf die Dauer.

14.Etappe
"Ich dachte: Das schaffst Du nie"

Bozen, 24.05.03. Heute morgen beim Start zu der schweren Dolomiten-Etappe hatte ich ziemliche Sorge, dass ich das Zeitlimit nicht schaffe. 90 von 160km bergauf, vier schwere Berge. Ich habe mich nicht gut gefühlt, weder psychisch noch physisch. Was dann nachher am Schlussanstieg passiert ist, war für mich ein sehr bewegendes Erlebnis.

Die ersten 10km war es ruhig, dann begann aber auch schon das Gespringe, eine Gruppe ging weg. Ich wusste, ich muss bis zur zweiten Bergwertung noch im Hauptfeld sein, sonst muss ich wohl heute abend die Koffer packen. Der erste Berg stand zwar erst nach 90km im Profil, aber bis dahin ging es auch nur bergauf. Immer 3-4 Prozent, immer Druck auf dem Pedal. Am ersten Berg ist Saeco ein ekliges Tempo gefahren und ich bin prompt rausgeflogen. Auf meinem Tacho sehe ich, dass ich noch 80 Kilometer vor mir habe, inklusive vier Pässe! Ich denke: Das schaffst Du nicht, niemals.

Die Materialwagen sind an mir vorbeigefahren. Als das Gerolsteiner-Auto vorbeikam, sagt mir mein Sportlicher Leiter Theo Maucher, dass nur noch drei Mann hinter mir sind. Ich muss mir was einfallen lassen, sonst ist das Ding gegessen. Oben an dem Berg hatten ich und die anderen drei dann fünf Minuten aufs Feld. In der Situation blieb uns nichts anderes übrig, als in den Abfahrten voll Harakiri zu fahren. Wir sind wie die Wahnsinnigen da runter und ich habe mehr riskiert, als ich normal machen würde. Erholen kann man sich so in der Abfahrt nicht. Auf meinem Tacho stand später: Maximales Tempo 97,5km/h.

Am Fuße des Schlussanstiegs kamen wir mit einer zehnköpfigen Gruppe an, aus der später drei die Karenzzeit verpassen sollten. Wir hatten unten am Berg an die 15 Minuten Rückstand. Nach der Faustregel verlierst Du als Sprinter am Berg gegen die Kletterer eine Minute pro Kilometer. Der 14er von CCC Polsat (der Ukrainer Bondariew, die Red) und ich sind aus der Gruppe raus, weil uns das alles nicht geheuer war. Die Zeit wurde knapp. Zu zweit sind wir dann die 13km hinauf zum Zielort angegangen.

Was auf dem Schlussanstieg passierte, kann ich kaum beschreiben. Wie die tausenden Zuschauer uns angefeuert haben, wie die Leute uns ganz nahe sind, wie sie mir ganz dicht ins Gesicht schauen und in dem Moment genau wissen, wie es mir jetzt geht. Es war für mich einfach bewegend. Einige riefen "Frösi", "Frösi". Einer rief Robert. Es war mein Cousin, den ich auch gleich erkannt habe. Da wir nur zu zweit waren, sind wir viel geschoben worden von den Fans. Das tut so gut, selbst wenn es nur 10 Meter sind. Im grupetto der Sprinter werden praktische alle geschoben. Erlaubt ist das natürlich nicht und so greift sich die Jury willkürlich einige raus, die sie erwischen. Ich bekam heute 200 Schweizer Franken Strafe aufgebrummt...

500 Meter vor Schluss habe ich das große Sprinter-grupetto doch noch erreicht. Die letzten Meter dachte ich zwar, ich sterbe, aber ich wusste, ich habe es geschafft. Kein Gefühl wie bei einem Sieg, aber doch geil. Nach der Zieldurchfahrt habe ich mich erstmal hingesetzt. Ich war platt.

Nach dem Rennen fuhren wir durch das Gewusel wieder den letzten Berg runter, unser Teambus stand sieben Kilometer vor dem Ziel. Danach 50km Autotransfer nach Bozen, wo wir ein Superhotel haben. Super-Essen und wieder richtige Betten mit Daunenbettzeug, nicht so verlauste Mallorca-Decken... Zum Abendessen gab's Spargelauflauf, Ravioli, Roastbeef mit Kartoffelgratin, als Dessert Apfelstrudel. Abendessen ging bis halb elf. Bis man ins Bett kommt ist es halb zwölf. Bis um acht Uhr können wir schlafen, es könnte ruhig länger sein.

Ich bin ziemlich kaputt, aber es geht noch. Morgen das Zeitfahren ist für alle, denen das Gesamtklassement egal ist, relativ locker, auch wenn man eine Stunde lang schon schauen muss, dass man zügig fährt. 90, 95 Prozent muss man schon geben. Ich werde als einer der ersten starten und dann Gott sein Dank auch früh fertig sein. Danach werde ich mich gleich wieder ins Bett lümmeln. Bis morgen

Fans fragen Frösi

Ihr habt doch im Rennen eine Pulsuhr. Fahrt Ihr nach Puls oder Gefühl? Frösi: Man trainiert nach Puls, aber im Rennen schaut man überhaupt nicht nach dem Puls. Man hört nicht auf zu treten, nur weil man bei 160 Puls ist. Nach zwei Wochen Rundfahrt verschieben sich auch die Pulsfrequenzen. Es kann sein, dass man bei Puls 130 schon nicht mehr japsen kann, andermal rollt man bei 160 Puls wie im Training. Die Daten - Puls, Höhenmeter etc - werden übrigens alle aufgezeichnet. Nach dem Giro wird der Computer damit gefüttert zur Auswertung.

Was hältst Du davon, dass Sprintstar McEwen ausgestiegen ist? Frösi: Wir sind Profis. McEwens Sponsor sagt: Für uns ist die Tour de France am wichtigsten und wir wollen, dass du da Siege holst. Also gibt er den Giro auf, um sich dafür vorzubereiten. Das ist professionell. Ob man das allerdings vorher so groß ankündigen muss, weiß ich nicht. Er hätte doch heute auch einfach sagen können, sorry, hatte einen schlechten Tag. Aber das muss er selber wissen.

12.Etappe
"Der Berg wuchs in den Himmel"

Magnano in Riviera, 22.05.03. Das war schon heftig heute, dieser Zoncolan am Schluss. Die letzten drei Kilometer hatten es in sich und man darf ja nicht vergessen, dass wir schon 180km und 11 Renntage in den Beinen haben. Es war schwer, ich hatte aber eigentlich keine Probleme, im grupetto mitzufahren, wobei wir uns auch ein bißchen bei den Fans bedanken müssen...

Die Etappe heute begann zunächst ruhig bis nach 10 Kilometern die von Kelme meinten, plötzlich schnell fahren zu müssen. Alle hatten einen Hals auf die. McEwen ist vorgefahren und hat denen mit der Karte mit dem Etappenprofil vor der Nase gewedelt: "Was soll das ganze? Wir haben heute noch einiges vor!" Dann fuhr eine Gruppe raus, einer von Kelme dabei, da hielten die wenigstens erst mal still. Doch nein, dann fiel einem von Selle Italia ein, dass einer der Ausreißer im Bergtrikot zuviel Punkte hat und die fingen an Tempo zu machen. 50, 60km/h wurde gefahren. Wieder nix mit locker rollen vor den Bergen. Selbst durch die Verpflegungskontrolle sind wir volle Kanne durchgerast als gäb's kein Morgen.

Am ersten Berg haben sie unten gleich schon "grupetto", "gupetto" gerufen. Ich habe mich da aber noch nicht beirren gelassen. Es ist immer besser, von vorne ins grupetto zu kommen als von hinten. In der Abfahrt kamen die anderen zurück. Es folgte ein langes Flachstück. Unsere Gruppe der Sprinter war 50 Mann groß. Einem grupetto dieser Größe kann eigentlich nichts passieren. Die nehmen ja nie 50 Mann auf einmal aus dem Rennen. Trotzdem hatten da einige Angst wegen der Karenzzeit und sind Vollgas gefahren. zehn Mann sind vorne gekreiselt, 40 Mann hingen dahinter und mussten aufpassen, überhaupt da dran zu bleiben. So ganz dumm ist es natürlich aber nicht, im Flachen Tempo zu fahren. Am Berg verlieren wir gegen die Kletterer eine Minute pro Kilometer. Macht 13 Minuten bei dem Schlussanstieg heute und wenn wir unten schon weit hinten liegen, wirds nachher eng.

Am Fuße des Zoncolan habe ich wie vorher geplant das Rad gewechselt. Auf meiner Ersatzmaschine war eine Übersetzung von bis zu 39x32

montiert. Heftig, aber selbst das hat gerade so gereicht. Am Anfang war der Zoncolan nicht wirklich schlimm. Gar nicht eklig, ein normaler Berg. Aber auf den letzten drei Kilometern ist der Berg in den Himmel gewachsen. So einen harten Anstieg bin ich noch nie gefahren. Ich fuhr am Limit, mit 39x32 und voll getreten. Schneller als 7km/h gings nicht. Tausende Zuschauer standen an der Strecke, das kam schon echtes Giro-Feeling auf. Die haben uns dauernd geschoben. Sven Lohse, ein Bekannter aus Chemnitz stand an der Strecke und hat mich 150 Meter angeschoben. Danke nochmal, Sven! Die Italiener haben natürlich ein Vorteil, die tifosi schieben ihre Lieblinge noch lieber. Der Cipollini hätte wahrscheinlich nicht mal treten müssen...

Im Ziel war ich platt. Viel weiter hätte das Ziel nicht sein dürfen. Wir sind vom Berg runter mit der Seilbahn gefahren. Unten warteten die Teamautos, die nicht die Passstrasse hochfahren konnten. Bis ins Hotel gab es nochmal 50km Transfer, aber davon habe ich nicht viel mitbekommen. Ich bin eingeschlafen. Wir haben ein schönes Hotel. Ich habe mich erstmal eine Viertelstunde in den Whirlpool gesetzt. Sehr angenehm. Allzu lange darf man da aber nicht drinbleiben, sonst kannst du nachher gar nicht mehr aufstehen. Mir tun die Knie weh von der Belastung. Der Nacken ist total verspannt. Aber es könnte mir schlechter gehen. Um 21 Uhr Abendessen. ich habe einen Salat verdrückt, eine Mozzarella, einen großen Teller Gnocchi, zwei Steaks und anschließend noch zwei Stückchen Kuchen.

Morgen gibt es eine Flachetappe, wobei im Schlusskurs ein kleiner Berg möglicherweise was für Attackierer sein könnte und es vielleicht keine Sprintankunft gibt. Wir denken aber schon an Samstag. Die 14. Etappe - und die 18. - sind noch so Kracher. Heute wars schon so schwer und da wirds noch schwerer! Aber gut, eins nach dem anderen. Heute gings es mir ganz ordentlich eigentlich. Ich hatte keine Probleme, im grupetto zu bleiben. Ich bin kaputt, ja. Aber alles noch im grünen Bereich. Mal schauen, wie es mir morgen geht.

Fans fragen Frösi

Wie berechnet sich die Karenzzeit bei Bergetappen? Frösi: Es gibt offizielle Karenzzeitpläne, wo das genau drinsteht. Bei der schwersten Etappenkategorie so wie heute beträgt die Karenzzeit zwischen 8 Prozent (bei 35km/h Schnitt) und 10 Prozent (38km/h). Man rechnet über den Daumen 10 Prozent. 5 Stunden Rennzeit sind 300 Minuten, also 30 Minuten Rückstand sind erlaubt. Über Funk bekommt man mitgeteilt, wo die Spitze ist und wie man etwa liegt.

Welche Übersetzung bist Du heute bei der Bergetappe gefahren? Frösi: Vorne 38er und 53er Blatt, hinten 11 bis 32. Das hat gerade so gereicht.

Was für ein Puls hast Du? Frösi: Mein Ruhepuls beträgt 36 Schläge, mein maximaler Puls jetzt zurzeit während der Belastung beim Giro ist 190.

11.Etappe
"Ich denke: Jetzt oder nie! Aber dann..."

Levada Ponte di Piave, 21.05.03. Das war ein ereignisreicher Tag. Vom Beginn des Rennens gibt es Lustiges zu erzählen, vom Sprintfinale nicht so, da hat es ziemlich geraschelt. Endlich war ich auf dem letzten Kilometer mal vorne dabei - und dann gehe ich zu Fuß ins Ziel.

Das Rennen begann ruhig. Nach einer Stunde Fahrzeit kamen wir an einen geschlossenen Bahnübergang. So ziemlich das halbe Feld kam auf die Idee, die Pause zum Austreten zu nutzen. Allerdings waren soviele Zuschauer da am Straßenrand, da gings nicht. Also wir mit 30 Mann zu einem Haus, das einen großen Garten hatte. Eine Frau stand auf dem Balkon und hat verzweifelt gerufen, wir sollten nicht auf ihre Blumen... Einer, - ich sag nicht wer, nur, dass es ein in Deutschland bekannter Italiener war - musste sogar mal für große Jungs und hat sich hinter einen Busch verzogen in dem Garten. Wir haben gelacht...

Eine Rennstunde weiter standen Zuschauer auf der Straße mit jeder Menge Eis, mit Kuchen und sogar Wein. Wir haben alle angehalten und erst Mal Pause gemacht. Sowas habe ich noch nie erlebt. Ich habe lecker Eis gegessen und Kuchen. Viele haben auch beim Wein gut zugelangt... Das war richtig gut aufgezogen von den recht jungen Fans. Fünf Mann gingen mit Eis rum, drei mit Kuchen. Könnte man sich glatt dran gewöhnen bei Rennen!

Dann sind wir wieder Rennen gefahren. Zwei Mann von Tenax sind rausgefahren. Die haben sie auch zügig fahren lassen. Als der Vorsprung 13 Minuten betrug, wurde im Feld wieder Gas gegeben. 25km vor dem Ziel waren die Ausreißer gestellt. Da hatte es schon angefangen zu regnen und es gab auf den rutschigen Straßen schon einige Stürze. Fürs Sprintfinale verhieß das nichts gutes. Im Zielort stand eine 7km-Zielrunde auf dem Programm.

Ich habe schon bei der ersten Zielpassage gleich gedacht, dass es da ordentlich scheppert in dieser Kurve kurz vor Schluss. Da machen sie Regeln wie die Helmpflicht zum Schutz der Fahrer - gut, aber wenn man wirklich uns schützen will, sollten sie mal solche Sprintanfahrten weglassen.

Auf dem letzten Kilometer war ich endlich mal vorne dabei, unter den ersten Fünf. Ich habe mich auch super gefühlt. McEwen zieht früh an. In der Kurve rutscht Galvez weg, Cipollini geht auch fliegen. Dann auch noch Furlan. Ich habe plötzlich freie Sicht aufs Ziel, ich denke, das gibts nicht, jetzt oder nie!

Fans fragen Frösi

Welche Reifen fahrt Ihr Frösi: Wir fahren 23mm-Schlauchreifen von Schwalbe. Die fahren wir durchweg, nur bei Paris-Roubaix fahren wir 25er.

Wie oft wechselt ihr die Kette an Euren Rädern?  Frösi: Relativ oft, einmal im Monat etwa. Mit Ketten gehen wir nicht sparsam um. Man will da kein Risiko eingehen, denn ein Kettenriß im Rennen ist nicht so gut.

Welches Rennrad fährst Du? Frösi: Gerolsteiner fährt zwei Modelle von Wilier, ein Alu-Rad und ein Carbon-Rad. Ich fahre Alu, weil bei meinen 80kg ist das besser von der Steifigkeit her. Die Rahmen sind alle indivuell für jeden Fahrer angefertigt.

Als ich antrat, merke ich wie sich das Hinterrad durchdreht. Bei 60 km/h fange ich an abzuheben Richtung Bande. Das war, als ob ich mir selbst in einem Film zusehe. Ich fliege durch die Luft und denke, wann schlage ich denn endlich ein in die Bande? Das dauert eine Sekunde vielleicht, es kam mir unendlich lange vor. Dann bretterte ich in die Bande. Da lagen wir dann verstreut auf der Straße 150 Meter dem Ziel. Ins Ziel bin ich gelaufen.

Ich habe mir wehgetan, aber mich Gott sei Dank nicht schlimm verletzt. Zerrung am Arm, Schürfwunden, die linke Seite ist offen. Bei trockener Straße wär es aber noch wesentlich schlimmer gewesen. Ich denke, ohne den Sturz hätte ich einen Platz unter den ersten drei geholt. Ärgerlich, aber ich sehe es auch positiv. Ich bin einen Schritt weiter, wenn ich eine Podiumsplatzierung vor der Nase habe. Irgendwann klappt es ja vielleicht. Meine Form ist wirklich ordentlich, auch wenn sich das auch wieder schnell ändern kann.

Morgen steht diese üble Bergankunft am Monte Zoncolan an. Ich habe Respekt vor dem Berg, aber keine Angst vor der Etappe. Für mich als Sprinter geht es nur darum, in der Karenzzeit anzukommen. Naja, und wenn man sein bestes gibt und es reicht am Ende nicht, dann ist es auch nicht zu ändern. Ich hoffe, es wird morgen reichen und ich drücke natürlich unserem Teamkapitän Totschnig die Daumen, dass er vorne was machen kann. Für unsere Mechaniker ist vor der Bergetappe viel Arbeit. Die schrauben jetzt um 23 Uhr noch unten an den Rädern und rüsten sie um. Drückt mir die Daumen, dass ich morgen abend noch im Rennen bin!


"Ins Ziel bin ich gelaufen"
Foto: Roth

10.Etappe
"Die Cipo-Rufe wurden leiser"

 

Imola, 20.05.03. Dass wir jetzt in Imola sind, habe ich gerade erst realisiert, als ich aus meinem Hotelzimmer geschaut habe im neunten Stock. Nach anderthalb Wochen Rennen verliert man jegliches Gefühl für Wochentage und Orte. Man lebt irgendwie völlig in einer anderen Welt, wo sich alles ums Radrennen dreht. Die schwere Etappe heute habe ich sehr gut bewältigt, ich spüre einen Aufwärtstrend in der Form.

Heute früh alles wie immer: Frühstück, Autofahrt zur Etappe, Einschreiben. Wir haben erwartet, dass es heute gleich vom Start weg sehr zügig losgeht. Es gab auch ein paar Attacken, aber die wurden wieder gestellt und es beruhigte sich wieder und es ist dann erst mal nix mehr passiert. Nach KM 51 stand eigentlich der erste Anstieg im Profil, aber als wir KM 51 erreicht hatten, war es noch ganz flach. Wo ist der Berg? Über Funk sagte uns unserer Sportdirektor Christian Henn, die Organisatoren hätten gerade darüber informiert, dass die Etappe 11 Kilometer länger ist als geplant. 202 plus 11 km. Dankeschön...

Lustig war heute eine kleine Sache zu Beginn des Rennens: Drei Italiener, die aus der Gegend kommen, wollten aus dem Feld rausfahren, um dann weit vor dem Feld anzuhalten, um ihre Familien zu begrüßen. Die sagen vorher Bescheid, das Rosa Trikot usw. gibt sein Okay. Wie das halt so Tradition ist. Ein Spanier von Kelme hat's aber nicht weiter gestört und hat währenddessen attackiert. Was waren die sauer auf den!

Fans fragen Frösi

Warum rasieren sich Radsportler die Beine?  Frösi: Da gibt es drei Gründe: 1. Es ist besser bei Schürfwunden an den Beinen. 2. Bei der Massage ist es angenehmer. 3. Es sieht besser aus. Schneller wird man leider nicht...

Wie wird die Zeit gemessen? Mit Transpondern? Frösi: Ja, wir haben Transponder, die sind links unten am Rahmen angebracht. 3 mal 4cm groß etwa. Ein Transponder ist jeweils für eine Startnummer programmiert. Radwechsel sind im Normalfall kein Problem, da jeder von uns ja sein eigenes Ersatzrad hat.

Nach der Bergwertung begann das Rennen. 16 Mann - darunter von uns Ronny Scholz - fuhren weg, dahinter bildete sich noch eine Fünfergruppe, dann das Hauptfeld, das Garzellis Sidermec kontrolliert hat. Mir ging es wirklich noch sehr gut, als nach 90,8km (plus die 11km) die Bergwertung anstand. Wir sind da Reihe hochgefahren. Tausende Zuschauer, alle rufen "Cipo", "Cipo", "Cipo". Cipollini hatte heute übrigens ein Spezialrad, goldgrün. "König des Giro" stand drauf. Lustig, was der den Leuten für ne Show liefert. Solche Typen wie ihn bräuchten wir noch ein paar mehr im Radsport.

Die Cipo-Rufe wurden auf einmal leiser - ich schaue mich um, siehe da, Cipollini war weg, musste 120km vor Schluss reißen lassen. Für mich ist das ein sehr gutes Zeichen, denn das bedeutet, das ich noch ganz gut dabei bin als Sprinter. Wenn Cipo vor mir platzt, liege ich gut im Rennen. Marcel Strauss war am Berg dauernd hinter mir und hat mich angestachelt: "Los, komm, Frösi!" Auch die nächste Bergwertung war ich noch da im Feld. Erst am vorletzten Berg hats mich rausgehauen. Wir sind dann mit zehn Mann recht zügig bis ins Ziel gefahren. Das ist immer noch hart. Aber man hat alles unter Kontrolle. Der Albtraum eines Sprinters ist es, 100km vor Schluss abgehängt zu werden. Dann fängt der Druck an, man fährt gegen die Karenzzeit. Dann ein kleiner Hungerast und man ist draußen.

Die Etappe morgen ist wieder eher etwas für mich. 222km lang, flach. Ich denke, dass das Feld kontrolliert wird von Domina Vacanze vor allem. Bei der Länge muss man aufpassen, dass man seine Kräfte bewahrt. Aber wenn es zum Sprint kommt, will ich da wieder reinhalten und schauen, was rauskommt. Drückt mir die Daumen!


Das Feld bei der 10.Etappe
Foto: Roth

9.Etappe
"Im Feld staubt's schon mal"

Altopascio, 19.05.03. Heute hat's mich 10km vor dem Ziel erwischt. Eine Welle im Feld und ich hing in der Bande. Nix weiter passiert, aber bis ich wieder im Sattel saß, war alles vorbei. Keine Chance, noch an das rasende Feld ranzukommen.

Von heute früh gibt's nicht viel zu berichten. Wir haben Besuch von zwei Leuten vom ZDF, die beim Giro schauen wollen, wie es so ist bei einer großen Rundfahrt. Als Vorbereitung für deren Tour de France-Übertragungen. Auch der Verantworliche von unserem Sponsor, der Marketingchef von Gerolsteiner ist da. Die Etappe begann heute sehr schnell und so blieb es auch während des ganzen Rennens. Früh gab es Attacken und es ging hoch und runter. Domina Vacanze, Lotto und Sidermec haben das Feld aber kontrolliert, es war eigentlich früh klar, dass es einen Massensprint gibt. Cipollini machte während des ganzen Tages einen guten Eindruck. Da konnte man sehen, der hat Druck heute. Sprinten ist halt ganz stark auch eine Kopfsache.

Meine Hoffnungen musste ich heute schon 10km vor Schluss begraben. In einer Rechtskurve ging eine Welle durchs Feld und es hat geraschelt. Ich bin gestürzt. Nicht schwer und es ist nix passiert, aber ich hatte keine Chance mehr, vorne ranzufahren. Bis ich wieder im Sattel saß und richtig loskam - es war noch der große Gang drin, war es vorbei. Wenn einem Star wie Cipollini sowas passiert, dann wartet natürlich die ganze Mannschaft und versucht ihn wieder nach vorn zu fahren. Aber selbst dann kann es 10km vor Schluss zu spät sein, zumal wenn es kurvig ist und das Peloton ganz langgezogen ist. Naja, von hinten kam eine Gruppe und in der bin ich dann locker ins Ziel gefahren. Klar, habe ich mich geärgert, aber sowas passiert halt immer mal und wenn man sich über solche Dinge immer großartig aufregen würde... Vorbei, abhaken und nach vorn schauen.

Der Lette Naudusz und Petacchi haben sich in der Sprintanfahrt ein bißchen geprügelt - ich hab's vorhin im Fernseher gesehen. Und nach der Etappe gab es auch noch einen kleinen Tumult, habe ich gehört. Da müssen sich wohl einige von Alessio und Saeco geprügelt haben, kleine Meinungsverschiedenheit wegen dem Sprint... Im Feld staubt's öfter mal. Das ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Das ist im Radsport nicht anders wie etwa im Fußball, da gibts ja auch schon mal "Nickeligkeiten". Beim Giro hier ist es aber noch etwas aggressiver manchmal. Die Italiener vor allem können ziemlich aufbrausend werden, brüllen rum, wenn ihnen einer zu nahe kommt. Auch wenn man nichts dafür kann und einfach ne Welle drin ist im Feld. Die machen erst das Maul auf und denken erst später. Aber da muss man eine dicke Haut haben, da muss man drüber stehen.

Die Etappe morgen sieht heftig aus. Welliges Profil, vier Bergwertungen der 2.Kategorie. Für einen dicken Sprinter wie mich kann das schlimmer sein als ein knackiger Schlussanstieg. Wenn Du an 'nem Berg abgehängt wirst, in den Seilen hängst und es sind noch 100km - dann Gute Nacht. Der absolute Albtraum. Am schönsten wäre es, wenn morgen eine Ausreißergruppe geht. Das Profil wäre perfekt. Zehn Mann, die im Gesamtklassement weit hinten liegen. Dann kontrolliert Garzellis Team das Feld ohne zu sehr aufs Tempo zu drücken. Ich denke, es wird so kommen, es gab ja noch keine Ausreißergruppe bisher und viele Teams wird es jucken. Von Gerolsteiner würden wir natürlich versuchen, einen Mann mit reinzubringen. Marcel Strauss vielleicht oder auch Ronny (Scholz) oder Weigold, das wären die richtigen dafür. Drückt uns die Daumen!


8.Etappe
"Augen zu und durch"

Bettolle, 18.05.03. Platz 17 beim Auftakt, Platz 16 in Catania, jetzt Vierzehnter - wenn das so weitergeht, gewinne ich in drei Wochen eine Etappe... Der Sprint war heute absolutes Harakiri, wir fuhren den letzten Kilometer mit 64km/h. Ich bin mit dem Tag ganz zufrieden. Nach dem Rennen hatte ich noch soviel Kraft, dass ich doch glatt bei der Dopingprobe den Behälter beim Zudrehen kaputt gemacht habe.

Heute morgen ging es mir nicht wirklich gut. Die Beine taten noch bös weh von der Bergetappe gestern. Das Rennen begann zunächst recht gemächlich auf den ersten zehn Kilometern. Dann kam die erste Bergwertung und Selle Italia hat Tempo gemacht für ihren Mann im Bergtrikot. Da wurde es richtig schnell, hinten im Feld fingen einige schon an zu klemmen. Oben an dem Berg sind Cipollini, Petacchi und Garzelli an die Spitze des Feldes gefahren und haben erstmal für Ruhe gesorgt: "Piano!", rief Cipo. Der war richtig sauer. Auf Cipo hören sie alle und es wurde dann auch wieder langsamer gefahren. Bis zur Verpflegung bei KM 120 sind wir dahingedümpelt mit 35er Schnitt.

Nach der Verpflegung gingen die Angriffe los und das Tempo wurde schnell. Das schlimme sind diese Rhythmus-Wechsel. Erst locker, dann Tempo, das tut meinem Motor nicht gut. Nach einer Weile liefs bei mir dann aber wieder okay. Im Finale stand 10km vor Schluss noch so 'ne kleine Welle im Profil, dann gings nur noch bergab bis ins Ziel. Teilweise mit 70, 75 Sachen sind wir da runtergerast. Augen zu und durch. Denken darf man nicht. Richtig zum Sprinten bin ich nicht gekommen. Den letzten Kilometer fuhr ich praktisch Linie und nur volle Pulle ins Ziel. Vierzehnter Platz. Ich bin zufrieden. Ich merke, dass ich immer besser zurecht komme und es mehr Spaß zu machen beginnt. Ich fahre den Giro vor allem, um zu lernen und da denke ich, dass ich ein Stückchen weiter gekommen bin. Sprints sind immer auch Kopfsache. Man braucht Selbstbewußtsein. Mein nächstes Ziel ist es jetzt, einmal unter die ersten Zehn zu sprinten.

Nach dem Rennen wurde ich heute zur Dopingprobe ausgelost. Dabei muss man für die A- und B-Probe mindestens 75 Milliliter "leisten". Bei mir hat es heute gerade so hingehauen. Die haben noch groß diskutiert, obs reicht oder nicht. Es reichte glücklicherweise, sonst hätte ich da noch Stunden rumsitzen müssen. Nach meinem Etappensieg bei der Sachsen-Tour letztes Jahr hat der Arzt meinen Becher fallenlassen und ich musste nochmal ran. Zwei Stunden hat das gedauert! Als ich heute fertig war, drehte ich den Behälter zu - das muss aus rechtlichen Gründen der Fahrer machen. Ich hatte die so verstanden, dass man das ganz fest zudrehen soll. Ich hab den Deckel kaputt gemacht und es gab nochmal Diskussionen, was nun zu tun ist. Wir haben es schließlich dann doch noch alle zu einem guten Ende gebracht.

Dopingkontrollen sind sowieso immer eine kuriose Situation. Bei der Dopingprobe sind der UCI-Kommissar, der Mannschaftsarzt und der UCI-Arzt anwesend. Der UCI-Arzt schaut ganz genau zu, wie man da in den Becher macht. In der Regel ist das nicht so fürchterlich, wie sich das anhört. Die Ärzte sind meist sehr professionell. Manchmal - vor allem bei den Heimkontrollen - kommt aber ein Arzt, der unerfahren ist und alles besonders richtig machen will. Der hockt sich dann wirklich 20cm vor einen. Oder andere wollen ein Gespräch führen, während man da zu Gange ist...

Die Etappe morgen ist im Finale wieder flach, es könnte wieder zum Sprintfinale kommen. Drückt mir die Daumen! Bis morgen!


7.Etappe
"Wie in Trance"

Leonessa, 17.05.03. Heute früh habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht um den langen Schlussanstieg. Im grupetto wird das schon recht locker gehen, dachte ich. Aber auch im grupetto musst Du ja den Berg erstmal hochfahren. Es war dann doch eine ganz schöne Quälerei.

Heute morgen gab's um neun Uhr Frühstück, im Auto zum Etappenstart, Einschreiben. Die Razzia bei Formaggi Pinzolo war natürlich das große Thema unter den Rennfahrern. Die Etappe begann Gott sei dank sehr ruhig. Die erste Bergwertung nach 26km sind wir wirklich piano hochgefahren. Danach wurde es zwar wieder flacher, aber nicht leichter: Es ging an einem See vorbei, die Straße war schlecht und es gab eine Kurve nach der anderen. Wie Serpentinen. In den Kurven staute es sich ständig im Feld. Man muß bremsen, wieder antreten, bremsen, antreten. Auf der schlechten Straße rollte es nicht und im Wald siehst Du nicht, wie es weitergeht. Zwanzig, dreißig Kilometer lang ging das so. Das geht unheimlich auf die Knochen und noch mehr aufs Gemüt.

Am Schluss der Etappe gab es zwei Berge, zunächst eine kleine Bergwertung, dann eine kleine Abfahrt und der 16km lange Schlussanstieg. In den ersten Berg sind sie voll reingeblasen. Ich habe früh reißen lassen, bin dann aber an dem Anstieg mit ein paar Mann wieder ins grupetto reingefahren. Dann der Schlussanstieg. Unten wird dann gerufen "grupetto", "grupetto". Das eigentliche Signal fürs grupetto gibt aber Cipollini. Wenn der reißen läßt, ordnen sich alle um ihn herum an und es geht los. Möglichst kräftesparend den Berg fahren und immer ein Auge auf die Karenzzeit, ist das Motto. Je größer das grupetto, desto besser. Heute fuhren 55 Mann drin.

So ganz locker kann man aber auch im grupetto nicht den Berg hochfahren. Es ist eine Quälerei. Die Beine schmerzen dabei gar nicht mal, aber Du fährst und fährst und merkst, wie die Kräfte langsam abnehmen. Dass es den meisten anderen Sprintern vermutlich nicht besser geht, ist auch kein Trost. Auf den letzten fünf Kilometern gab es viele Zuschauer, die riefen alle "Cipollini, Cipollini!". Aber viel kriegt man gar nicht mit, wenn man den Berg hochfährt. Man ist mit der Zeit wie in Trance. Ich habe die Etappe heute im grupetto beendet. Aber bis in die Alpen müssen die Beine noch erheblich besser werden, sonst Gute Nacht.

Nach der Etappe braucht man im Wohnmobil erst mal 5 Minuten, um zur Ruhe zu kommen. Der Betreuer wäscht einem das Gesicht ab, man trinkt ein Recovery-Getränk. Abends hatte ich richtig Hunger. Es gab im ersten Durchgang Reis, dann Spaghetti und dann Steak mit Beilagen. Ich gehe früh schlafen - so gegen halb elf -, und hoffe, dass ich mich über Nacht gut erhole. Man versucht zwar, mit Vitaminen und Eiweiß-Shakes und so was die Erholung des Körpers zu unterstützen, aber eigentlich kann man nur abwarten und hoffen. Und versuchen, einen guten Schlaf zu bekommen. Bis morgen!


Erster Ruhetag
"Kein Bella Italia am Ruhetag"

Nola, 15.05.03. Den Ruhetag haben wir wirklich zum Ruhetag gemacht. Sehr angenehm. Wir sind zwei Stunden rausgefahren zum lockeren Training. Allzu schön war das aber nicht, die Gegend im Hinterland von Neapel ist nicht gerade das, was man sich unter "Bella italia" vorstellt...

Wir konnten heute ausschlafen. Aufstehen war heute morgen um 9:30 Uhr, Frühstück um 10 Uhr. Um halb zwölf sind wir rausgefahren zum Training. Zwei Stunden durch eine total versiffte Gegend. Von Nola, wo wir in einem schönen Hotel untergebracht sind, fuhren wir Richtung Pompeji und Vesuv. Es ging durch tausend kleine Ortschaften. Überall lag Müll. Müllberge an der Straße, in den Dörfern. Wir waren richtig schockiert, wie es da aussah. Der Verkehr war auch eine Katastophe. Wegen einer roten Ampel hält hier niemand. Ein Klischee, stimmt aber. An den Kreuzungen muss man höllisch aufpassen und sich langsam vortasten. Ich war froh, als wir gegen zwei wieder im Hotel waren.

Nach dem Mittagessen habe ich mich was hingelegt, dann den Koffer mal endlich wieder richtig aufgeräumt. Um vier Uhr stand Massage auf dem Programm. Dann bißchen auf dem Zimmer abhängen, Fernsehen. Abendessen. Der Ruhetag hat gut getan, auch wenn wir erst fünf Etappen hinter uns haben. Aber es ist so: Wenn man mal wirklich fertig ist, dann bringt ein Ruhetag auch nichts mehr. Wenn der Akku ganz leer ist, kann man ihn nicht mehr aufladen.

Morgen steht ein 222km langer Kanten an. Könnte was für Ausreißer sein. Allerdings will Cipo ja noch unbedingt seine Etappe gewinnen und Petacchi sein Rosa Trikot noch ein paar Tage behalten. Daher dürfte es letzten Endes doch wieder zum Sprint kommen. Auf dem Papier sieht das Profil nicht so wild aus. Zwei kleinere Berge, der letzte 45km vor Schluss. Aber man täuscht sich oft. Was auf dem Papier harmlos aussieht, ist in der Realität manchmal doch viel härter. Mein Ziel morgen? Mal schauen, das beste aus der Situation machen.

Zu Euren Mails. Zur Ernährung von uns Rennfahrern gab es viele Fragen. Für die Rennverpflegung unterwegs machen die Betreuer "Silberlinge", wie wir das nennen. Belegte Brötchen in Alupapier - deshalb Silberlinge. Schinkenbrötchen oder mit Marmelade oder Frischkäse. Brötchen mit Milchreis drauf mag ich gern. Dann gibt es natürlich die Energieriegel in verschiedenen Geschmacksorten und Energiegetränke mit ganz kurzfristiger Wirkung. Trinken ist ganz wichtig. Bei einer 200km-Flachetappe gehen bis zu 10, 12 Flaschen weg, wenn's richtig heiß ist. Ich nehme zur Hälfte Mineralien-Getränk, zur Hälfte Wasser. Die leeren Flaschen wirft man weg, für die Zuschauer ein beliebtes Souvenir. Unser Team hat insgesamt 1200 Flaschen dabei und die werden vermutlich nicht reichen. Sofort nach dem Rennen gibt's Recovery-Getränke von unserem Sponsor Enervit. Das sind Eiweiß und Mineraliengetränke, sehr wichtig zur Regenerierung. Abends essen wir dann ganz normal. Hühnchen, Fisch oder Steak. Dazu Gemüse, Reis, Pasta, was jeder am liebsten mag. Ich kann keine Nudeln mehr sehen. Bis morgen!


5.Etappe
"Bißchen sauer über verpasste Chance"

Nola, 14.05.03. Das war ein langer Tag. Es ging heute früh um dreiviertel sieben los und wir kamen nach dem Transferflug von Catania nach Neapel erst nach neun Uhr ins Hotel. Dazwischen fünf Stunden Radrennen, ein Berg auf Sizilien mit 1200 Höhenmetern und ein hektisches Sprintfinale. Doch gut, dass morgen der Ruhetag ansteht.

Heute morgen begann der Tag recht stressig. Zeit für ein gemütliches Frühstück war keine. Wir mussten noch 100km fahren bis zur Fähre nach Sizilien. Wir fuhren in den Autos. Die anderen Teamfahrzeuge fuhren schon direkt nach Neapel. Auf der Fähre viel Hektik, bis wir die Tickets hatten. Es war eine normale Fähre mit dem normalen "Zivilverkehr". 20 Minuten Überfahrt nach Messina. Im Startort mehr Chaos. Umziehen mussten wir uns in den Autos an einer belebten dreispurigen Straße, wo reger Straßenverkehr herrschte.

Das Rennen begann ganz gemächlich, niemand hatte es eilig und ich hatte wirklich nichts dagegen, es mal piano angehen zu lassen. Der Berg nach 80km hatte 1200 Höhenmeter, 26km lang. Wir sind im geschlossenen Feld hochgefahren, ich hatte auch keine Probleme. Aber ehrlich gesagt: Weh tut es doch.

Oben am Berg sind dann zwei weggefahren und ab dann wurde es schnell. Im Finale haben Fassa Bortolo und Lotto Tempo gemacht. Bis vier, fünf Kilometer (vor Schluss) hat mich mein Team in Position gefahren, ab da musste ich allein zurechtkommen. 3.000 Meter vor dem Ziel gab es einen Massensturz, bei dem es (von den Sprintern) Furlan erwischte. An Position 20 oder so hat es geknallt. Glücklicherweise kam ich ohne Probleme durch. Ich lag dann so an zehnter, zwölfter Stelle. Bis zu einer Linkskurve 1200 Meter vor dem Ziel. Dort versteuerten sich viele, einer landete fast im Park. Ich musste voll bremsen, dann neu antreten. Der Sprint war für mich damit gegessen.

Man hat keine Chance mehr nach vorne zu kommen, wenn man ganz rausnehmen muss. Die an der Spitze haben das Tempo mitnehmen können auf die Zielgerade. Unmöglich in so einer Situation da nochmal ranzukommen. Bei 60 Stundenkilometern kannst du nur überholen, wenn du aus dem Windschatten kommst und dazu nochmal 2km/h schneller bist. Bei Massensprints spurten eigentlich nur die ersten 5 oder 10. wirklich. Der Rest fährt volle Pulle ins Ziel. Ich habe noch einige Positionen geholt. Hundert Meter vor Schluss habe ich rausgenommen, als ich sah, da ist nix mehr zu machen. Am Ende war ich 16. - hinter Pantani, bei dem auch keiner weiß, warum der in den Sprints da mit rumturnt.

Ich bin ein bißchen sauer, weil ich eine Chance verpasst habe. Gut, der Sturz am Ende, da muss ich froh sein, dass ich durchkam. Ich hatte auch sicherlich nicht die allerschnellsten Beine und war nicht mehr der frischeste. Aber man ärgert sich halt schon. Vielleicht wäre doch mehr drin gewesen.

Nach der Zielankunft ging es gleich in ein Hotel, wo jede Mannschaft zwei Zimmer zur Verfügung hatte, wo wir duschen konnten. Ein heilloses Chaos in dem Hotel. Massenweise Leute auf den Gängen, wo man sich fragt, was die da eigentlich zu schaffen hatten. Per Bus ging es dann zum Flughafen. Vor der Abfahrt rannten noch mal irgendwelche Zuschauer mit ihrer Videokamera durch den Bus... Am Flughafen ging alles sehr reibungslos und schnell. Im Flieger von Alitalia saßen nur Rennfahrer, dazu die Sportlichen Leiter - zwei pro Team -, Polizisten und so weiter. Alle vom Giro. Nach 50 Minuten Flug landeten wir in Neapel. Dort wartete unser Teambus, der heute morgen direkt dahin gefahren war. Etwa um 21 Uhr waren wir im Hotel.

Morgen steht der Ruhetag an und das ist auch gut so. Wir werden nicht allzuviel trainieren. Ich habe schon mal rumgefragt bei den anderen Jungs. Unser Kapitän Totsch (Totschnig) meint, Ruhetag ist Ruhetag. Zwei Stunden werden wir trainieren, sonst ausruhen. Und den Koffer mal wieder aufräumen. Nach einer Woche weiß man gar nicht mehr, wo was ist. Jetzt schauen wir noch was Fernsehen, wir haben deutsches Fernsehen. Auf RTL läuft Fußball. Bis morgen.


4.Etappe
"Die Moral ist intakt"

San Nicolo di Ricadi, 13.05.03. Mein Zimmergenosse Marcel Strauss fuhr heute ein super Rennen, auch Ronny (Scholz). Unser Team hat sich gut präsentiert. Schade, dass die Gruppe wieder gestellt wurde. Ich bekam das ganze über Teamfunk aus der Ferne mit. Meine Beine waren nicht so toll heute.

Gestern fühlte ich mich wirklich gut und ich sage noch, man weiß nie, wie die Beine sind am anderen Tag. Und heute im Rennen lief es bei mir dann gar nicht, obwohl ich mich eigentlich gar nicht so schlecht gefühlt habe. Aber auf dem Rad ging nichts, es ging einfach nicht flüssig. Nach 120km, 50km vor dem Ziel, stand ein 16km langer Anstieg im Profil. Da habe ich reißen lassen.

Es bildete sich ein grupetto - auch Cipollini war mit drin, der fuhr dann aber nach dem Berg wieder an die Spitze zurück. Ich fuhr meinen Stiefel. Mein ehemaliger Teamkollege Ribi (der Österreicher Werner Riebenbauer/Fakta) kam von vorne und wir beide haben uns dann zusammengetan und sind ins Ziel gedümpelt. Naja, gedümpelt ist vielleicht das falsche Wort. Wir haben schon richtig Gas gegeben, auch wenn die Karenzzeit heute kein Problem war. Wir kamen so mit 12, 13 Minuten Rückstand ins Ziel.

Ich bin ein bißchen kaputt jetzt, aber normal kaputt. Alles im Rahmen. Was gutes Essen, Ausruhen, gut schlafen, dann ist der Akku wieder voll. Mal schauen, wie ich nach zwei Wochen Giro aussehe. Der Ruhetag am Donnerstag ist willkommen, aber es ist nun nicht so, dass ich ihn herbeisehne. Wir haben ja schließlich erst 4 Etappen hinter uns. Die Moral ist intakt. Wenn man mal einen Klemmer hat und man sieht auf dem Tacho, es sind noch 100km: erst dann verliert man die Moral!

Es hatte eine Mörderhitze heute, über 30 Grad im Schatten und wer weiß wieviel auf der Straße. Ich habe einen üblen Sonnenbrand. Wegen der neuen Helmpflicht muss man ja jetzt auch am Berg den Helm tragen. Das ist schon ziemlich unangenehm. Helm habe ich auch ohne Pflicht fast immer getragen - im Sprint sowieso (wobei sie da mal ein paar Verkehrskreisel weglassen sollten, wenn sie was für die Sicherheit tun wollen). Aber bei Hitze und am Berg wird der Helm zum Dampfkessel. Ich habe heute gesehen, Pantani hat sich zwei große Stücke aus seinem Helm rausgesäbelt...

Nach der Etappe gab es noch einen 40km-Autotransfer. Wir übernachten heute in einer herrlichen Bungalow-Anlage. Auch das Essen ist super. Großes Salatbuffet, Steaks, Pasta zum Abendessen. Und Deutsche Welle im Fernsehen. Morgen müssen wir aber schon früh wieder weg. Um 7 Uhr Aufstehen. Um 9 Uhr geht unsere Fähre Richtung Sizilien und bis zum Fährhafen müssen wir noch 90km im Auto fahren. Rennstart in Messina ist um 11:45 Uhr. Ich war noch nie in Sizilien, soll ja schön sein dort. Wie das Rennen wird, kann man schwer sagen. Es gibt einen Berg mittendrin. Vielleicht fährt Fassa Bortolo voll, um Cipollini abzuschütteln. Petacchi macht einen sehr starken Eindruck. Er ist der beste Sprinter im Feld und wackelt nie, auch nicht an den Anstiegen. Der hat mächtig Druck auf dem Pedal und verdient es auch am meisten, das Rosa Trikot zu haben. Ich melde mich aus Sizilien wieder!


3.Etappe
"Ich dachte, fahr mal mit"

Fuscaldo, 12.05.03. Ich fühle mich richtig gut nach der Etappe heute, bei der ich zusammen mit Cipollini und zwei anderen am Ende noch versucht hatte, an die Spitze zurückzukommen. Hat nicht geklappt, aber ich bin gar nicht kaputt und freue mich auf morgen. Wenn es einen Sprint gibt, werde ich versuchen, da mit reinzuhalten.

Heute morgen gab's um 8 Uhr das erste Frühstück. Zwei Brötchen mit Schinken. Danach habe ich mal nach dem Rad gesehen. Ich hänge gern ein bißchen mit den Mechanikern rum, zum Quatschen. und so. Habe noch ein bißchen gelesen. Die Zeitschriften, die wir mithaben - Spiegel, Fokus, eine Autozeitung, sowas - tauschen wir reihum. Ich bin aber inzwischen wieder am Anfang angelangt bei der Tauscherei. Der Lesestoff geht langsam aus.. Zum zweiten Frühstück gab es Milchreis a la Förster: Normaler Reis, Milch drüber und Honig. Dann Umziehen, Teambesprechung, ab in den Bus zum Startort.

Mit den Startzeiten hier beim Giro ist es so eine Sache. Pünktlich gehts nie los. Wir stehen dumm rum und keiner weiß, was los ist und wann es los geht. 15 Minuten Warten oder auch mal ne halbe Stunde ist normal. Auch im Zielbereich ist es etwas chaotischer als bei anderen Rennen. Bei Rennen in Deutschland stehen die ganzen Teamfahrzeuge auf einem großen Parkplatz, hier steht jedes Team woanders irgendwo in einem Eckchen. Da muss man dann schon mal etwas länger suchen. Wenigstens musste ich heute am Ziel nicht durchs Getümmel, wo sie einem das Trikot beinahe vom Leib reißen. Der Teambus stand an der 1.000-Meter-Marke. 30 Zentimeter übers Ziel, dann umdrehen.

Die Etappe begann zunächst recht gemächlich. Nach 30km hieß es dann: Feuer frei. Die Attacken gingen los. Beim Intergiro brauchten wir nicht zu sprinten. Die Punkte waren schon weg, weil eine größere Gruppe rausgefahren war. Nach der Verpflegung wurde es dann bergiger. Ein Anstieg der 3.Kategorie im Profil. Ich habe mich ganz an Cipollini orientiert. Als der hat reißen lassen, haben sich alle brav dahinter eingeordnet und das grupetto bildete sich.

In der Abfahrt bekam Cipollini aber einen Rappel und hat Tempo gemacht, hat sich aus der Gruppe verabschiedet. Ich dachte, fahr mal mit, schaden kann's nicht. Galvez von Kelme und Backstedt von Fakta sind auch mit. Zu viert sind wir die 12km Abfahrt Harakiri gefahren. War sehr gefährlich: enge Straßen, viele enge Kurven. In einigen Kurven haben Galvez und ich auf dem Vorderrad des anderen rumgeturnt. Ist aber nix passiert. Wir sind zügig gefahren, haben die Grüppchen eine nach der anderen eingeholt und stehen lassen. Bis 5km vor dem Ziel sind wir voll gefahren. Dann wurde klar, dass wir die Spitze nicht mehr kriegen und wir sind locker ins Ziel gerollt.

Morgen könnte es bei der Etappe wieder einen richtigen Sprint geben, wenn Fassa Bortolo das Feld zusammenhält. Die letzten Kilometer geht es bergab. Mal schauen, wenn ich die Beine habe, werde ich da am Ende versuchen, vorne mit reinzuhalten. Aber man weiß nie, wie die Beine sind. Manchmal steht man morgens auf und steht am Start, man fühlt sich schlapp und man denkt sich: Was ist nun los! Das kann man nicht vorhersagen. Drückt mir die Daumen, dass die Beine morgen gut sind!


2.Etappe
"Meine erste grupetto-Erfahrung"

Bernalda, 11.05.03. Das war schon ein bißchen anstrengender heute. Nach dem ruhigen Beginn stand am Ende so ein richtiger Weh-Tu-Berg im Profil. Da musst Du 80kg Sprinter-Gewicht dann erstmal mit Sauerstoff versorgen...

Nach dem Frühstück heute morgen (Müsli und Spaghetti) hatten wir einen 30km-Autotransfer bis zum Startort. Dort wie üblich Einschreiben, Kaffeetrinken im Giro-Village, bißchen quatschen. Dann gings los. Die ersten Kilometer fuhren wir locker, alles sehr ruhig. 10km vor dem Intergiro (KM 50) beginnt dann das große Gerangel um die vorderen Plätze im Feld. Ich habe heute bei dem Zwischensprint mal versucht, mit reinzuhalten. Wurde Dritter hinter Cipollini und Petacchi. Das war schon mal ganz sportlich, denke ich.

Nach dem Intergiro begannen die Atacken. 10km vor dem Berg wurde es dann richtig schnell und vorne bildete sich eine Gruppe, die Tempo fuhr. So etwa einen Kilometer vor dem Berg habe ich reißen lassen müssen. Zunächst war ich noch in der Cipollini-Gruppe drin, später in einer zweiten Gruppe. Meine erste grupetto-Erfahrung beim Giro. Für mich als Sprinter geht es in so einer Situation nur darum, möglichst kräftesparend ins Ziel zu kommen. Es ist letztlich auch völlig egal, ob ich noch über den Berg drüberkomme in der Spitzengruppe und dann am Ende doch reißen lasse. Der Anstieg sah auf dem Papier gar nicht so heftig aus, es war aber ein echtes Ekel-Ding, ein Weh-Tu-Berg. Die Klassementfahrer fahren da mit dem großen Blatt hoch, ich mit nem 15er. Da beginnt dann die so genannte Pressatmung - 80kg reine Sprintkraft musst Du auch erst mal mit Sauerstoff versorgen... :-)

Bei der Zielankunft war hinter der Ziellinie die Hölle los. Tausend Leute und da muss man sich dann durchkämpfen durchs Gewühl. Da musst du alles festklammern, sonst ist es weg. Dass sie dir nicht noch das Trikot vom Leib reißen ist alles. Die Flaschen waren sofort weg. Einer zieht mir am Helm, andere fummeln mir in den Trikottaschen rum. Ich verschenke gern Souvenirs, ist doch klar. Aber das war dann schon etwas krass.

Einige fragten per Mail nach meinem Sturz gestern. Nun, ich bin gar nicht gestürzt. Es ist so, dass ich oft verwechselt werde mit meinem Teamkollegen Gerhard Trampusch, obwohl wir uns eigentlich gar nicht so ähnlich sehen. Aber im Fernsehen sieht das wohl so aus. Selbst meinen Eltern geht das manchmal so: Mensch, warst ja super heute am Berg, sagen die schon mal. Dabei war ich gar nicht vorne. Also gestern, das war Gerhard, der gestürzt ist. Ihm ist aber nicht viel passiert, er war heute sehr gut unterwegs und kam unter die ersten Zwanzig.

Wir haben ein schönes Hotel heute, etwas abgelegen. Fakta und Panaria sind auch hier untergebracht. Ich teile das Zimmer heute mit Marcel Strauß. Wer mit wem im Zimmer schläft, das wechseln wir im Team während einer längeren Rundfahrt schon mal. Das ist besser für den Teamgeist und außerdem verhindert das den berühmten Lagerkoller. Das Hotel ist schön, Essen gut. Leider gibt es kein deutsches Fernsehen. Irgendwas blödes im Fernsehen gucken, entspannt so schön. Bis morgen!


1.Etappe
"War nicht mein Tag"

Gallipoli, 10.05.03. Mann, was war das heiß heute! Bin ganz schön kaputt. Die ersten 130km der Etappe fuhren wir sehr ruhig, dann kam der erste Intergiro, wo sie alle schon voll reingehalten haben, als gings um die WM. Ab da gings dann voll zur Sache. Wenn man erst 130km lang jeden zweiten Tritt auslassen und dann anschließend 70km Vollgas fahren muss, das bringt manch einen Motor zur Überlastung... Das Finale war super hektisch, viele Stürze. Die letzten fünf Kilometer fuhren wir durchweg mit 65km/h.

Auf den letzten Kilometern so einer Sprintetappe muss man unheimlich aufpassen. Bei diesem Tempo ist man sofort weg vom Fenster, wenn man sich in einer Kurve nur ein kleines bißchen versteuert, hat man schon zehn Plätze verloren. Man muss absolut hochkonzentriert sein, In Sekundenbruchteilen kannst Du jetzt alles verlieren. Mein Sprint war nicht berauschend, ich wurde Siebzehnter. Ich hatte nicht die Beine für eine bessere Platzierung. Nach ein paar Tagen Rennpause muss man erstmal wieder reinfinden. Mir gings auch gestern Nacht und heute morgen nicht besonders gut. War nicht mein Tag, aber der kommt ja vielleicht noch.

Aufstehen war heute morgen um acht Uhr. Neun Uhr Frühstück. Es gab Müsli, Reis und Spaghetti. Ich kann aber keine Pasta mehr sehen. Ich habe mir den Reis genommen, Milch drüber geschüttet und was Honig drüber - lecker, ehrlich! Um 10:15 Uhr fuhren wir mit Wohnmobil und drei Autos nach Lecce, dem Startort. Erst mal einen leckeren Kaffee trinken im Giro-Dorf, Einschreiben, dann wieder zurück ins Wohnmobil, wo man sich ganz in Ruhe und konzentriert auf die Etappe vorbereiten kann und etwa noch mal einen Blick in den Etappenplan wirft. Das ist sehr angenehm, wenn man ein schönes Team-Wohnmobil hat. Wenn man in einem Auto sitzt oder so, dann klopft ständig irgendwer und will was.

Es gibt hier in Süditalien wahnsinnig viele radsportverrückte Fans und Zuschauer. Vor allem natülich schauen alle auf Pantani und noch mehr auf Cipollini. Wo immer der auftaucht, bildet sich eine riesige Menschentraube. Das ist noch wesentlich mehr Rummel um ihn hier als um Ulle (Ullrich) bei uns in Deutschland. Im Sprintfinale war ich heute Cipollini so nahe wie noch nie, man fährt ja nicht sehr oft in einem Rennen mit ihm. Ich bin jetzt im dritten Jahr Profi und gucke hier aufs Hinterrad von Cipollini. Schon ein komisches Gefühl, aber groß nachdenken kann man über sowas natürlich nicht im Rennen.

Gleich um 19:30 Uhr gehts zur Massage, Abendessen ist um halb neun. Danach vielleicht noch ein bißchen Zeitung lesen, dann gehts früh ins Bett. Morgen gibt es eine Flachetappe, aber 1.000 Meter vor Schluss steht ein 5 bis 6 Prozent steiler Anstieg im Profil. Könnte vielleicht ganz gut einer wegfahren, so wie Bertogliati letztes Jahr bei der Tour de France. Drückt mir die Daumen, bis morgen.


Vor dem Start
"Ich denke jetzt schon an den Zoncolan"

Gallipoli, 09.05.03. Es ist jetzt Freitagmittag, ich komme gerade vom Mittagessen zurück. Es sind keine 24 Stunden mehr bis zum Start am Samstag, aber nervös oder so bin ich noch gar nicht. Das Kribbeln beginnt heute Abend, wenn die erste Teambesprechung stattfindet, wenn die Startnummern ausgegeben werden. Ich habe übrigens die Nummer 93.

Wir sind am Mittwoch von Deutschland aus nach Brindisi geflogen, von dort nochmal 100km mit dem Auto weiter nach Süden. Abends sind wir nochmal eine Stunde kurz raus zum Trainieren. Wir wohnen bis morgen in Gallipolli. Die Gegend ist ein bißchen trostlos, nicht gerade wohlhabend. Gestern morgen stand die Gesundheitskontrolle auf dem Plan. Morgens um 7:30 Uhr mussten alle unten im Hotel beim UCI-Kommissar antreten mit UCI-Pass und Gesundheitspass. Der zapft einem dann Blut ab. Die Gesundheitschecks sind auf jeden Fall richtig, erst recht nach dem, was beim letzten Giro da alles los war... Nach dem Besuch beim "Vampir" haben wir schön draußen gefrühstückt, in Strandnähe. Herrliches Wetter. Man lebt manchmal nicht schlecht als Radprofi!

Nach drei Stunden Training am Nachmittag stand abends in Lecce die große Präsentation der Teams und Fahrer auf dem Programm. Es waren wahnsinnig viele Leute da. Der ciclismo hat hier in Italien doch noch einen anderen Stellenwert als in Deutschland, das merkt man auch beim Training, wo sie immer alle (freundlich!) hupen und winken. Nach der Teamvorstellung waren wir gegen halb elf wieder im Hotel, ich bin früh schlafen gegangen. Heute war auch noch mal etwas relaxen angesagt. Gleich nach dem Kaffeetrinken schaue ich nochmal nach dem Rad, ein bißchen Massage. Dann Teambesprechung.

Wir haben uns schon mal die Etappenpläne und Profile angeschaut. Als Sprinter fällt einem dabei besonders unangenehm dieser üble "Montezuma" (Monte Zoncolan/ die schwere Bergankunft bei der 12.Etappe) ins Auge. Ein Wahnsinns-Teil. Wir haben schon überlegt, ob wir auch alles Material dabei haben, die richtige Übersetzung für den Berg, der bis zu 22 Prozent steil ist. Ich denke jetzt schon an den Zoncolan und die anderen schweren Berge. Schließlich lautet mein erstes Ziel: Bis nach Mailand kommen!

Morgen, die erste Etappe ist erst einmal eine Flachetappe, bei der es einen Sprint geben dürfte. Ich will auf jeden Fall da vorne mit reinhalten. Bin mal gespannt auf den ersten Sprint. Wird Cipollinis Team da das Feld kontrollieren? Oder wird da jedes Team so seinen Zug machen? Vom Team habe ich keinerlei Druck, aber ich mache mir selbst Druck. Ich habe schon einen gewissen Ehrgeiz. Mal schauen, wievielter ich werde... Drückt mir die Daumen!


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